Kritik am Werben des Papstes für „Weiße Fahne“ der Ukraine

Warum wirbt der Papst mitten im Krieg für eine „Weiße Fahne“ der Ukraine und für Verhandlungen? Aus dem In- und Ausland hagelt es Kritik. Doch Sahra Wagenknecht und Moskau finden lobende Worte.

Die jüngsten Äußerungen von Papst Franziskus zu Friedensverhandlungen in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine haben national und international viel Kritik ausgelöst. Vor allem in Osteuropa meldeten sich Regierungen zu Wort und wiesen die Worte des Papstes vehement zurück. Der Pontifex hatte in einem am Samstag bekannt gewordenen Interview des Schweizer Fernsehens RSI der Ukraine den „Mut zur Weißen Fahne“ und zu Verhandlungen unter internationaler Vermittlung nahegelegt.

Dazu schrieb der lettische Präsident Edgars Rinkevics auf der Online-Plattform X: „Man darf vor dem Bösen nicht kapitulieren, man muss es bekämpfen und besiegen, damit das Böse die weiße Fahne hisst und kapituliert.“ Auf derselben Plattform schlug der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski mit sarkastischem Unterton vor: „Wie wäre es, zum Ausgleich Putin zu ermutigen, den Mut zu haben, seine Armee aus der Ukraine zurückzuziehen? Dann wäre sofort Frieden, Verhandlungen bräuchte man nicht.“

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba schrieb auf X, der Stärkste sei derjenige, „der im Kampf zwischen Gut und Böse auf der Seite des Guten steht, anstatt zu versuchen, sie auf eine Stufe zu stellen und es ‚Verhandlungen‘ zu nennen“. Kuleba erinnerte an das Verhalten des Vatikans im Dritten Reich und schrieb: „Ich dränge darauf, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und die Ukraine und ihr Volk in ihrem gerechten Kampf um ihr Leben zu unterstützen.“

Ähnlich historisch wie Kuleba argumentierte der ukrainische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Andrij Jurasch. Er fragte auf X, ob im Zweiten Weltkrieg jemand mit Adolf Hitler ernsthaft über Frieden gesprochen und die weiße Fahne geschwenkt habe, um ihn zu befrieden. Mit Blick auf Moskau und Putin fügte er hinzu, die Lektion aus der Geschichte sei: „Wenn wir den Krieg beenden wollen, müssen wir alles tun, um den Drachen zu töten!“

In Rom distanzierte sich der deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl, Bernhard Kotsch, klar vom Vorschlag des Papstes und twitterte: „Russland ist der Aggressor und bricht internationales Recht! Deshalb fordert Deutschland Moskau auf, den Krieg zu stoppen, und nicht Kyjiw (Kiew)!“

Zustimmung kam hingegen aus Russland. Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums erklärte, der Westen habe die Ukraine und den Weltfrieden geopfert, um seine Ziele zu erreichen. Nun bitte der Papst „den Westen, seine Ambitionen aufzugeben und einen Fehler zuzugeben“.

In Deutschland verteidigte Sahra Wagenknecht, Co-Vorsitzende der Partei BSW, Papst Franziskus. „Die Aufforderung des Papstes, endlich Friedensverhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs aufzunehmen, ist mutig und klug“, sagte sie. Franziskus nehme die Friedensbotschaft des Christentums ernst; die Kritik an ihm sei respektlos. „Im Ukraine-Krieg wird schon lange nicht mehr gewonnen, sondern nur noch gestorben“, so die Parteivorsitzende.

In anderen politischen Parteien in Deutschland überwog die Kritik am Papst. Wer von der Ukraine verlange, „sich einfach zu ergeben, gibt dem Aggressor, was er sich widerrechtlich geholt hat, und akzeptiert damit die Auslöschung der Ukraine“, sagte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Über Frieden „muss und wird verhandelt werden – aber auf Augenhöhe“, so die Grünen-Politikerin.

Empört reagierte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. „Bevor die ukrainischen Opfer die weiße Flagge hissen, sollte der Papst laut und unüberhörbar die brutalen russischen Täter auffordern, ihre Piraten-Fahne – das Symbol für den Tod und den Satan – einzuholen“, erklärte sie in den Funke-Zeitungen.

Im Interview hatte das Kirchenoberhaupt unter anderem gesagt: „Schämt euch nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird.“ Wahre Stärke beweise derjenige, „der die Situation betrachtet, an die Bevölkerung denkt und den Mut zur weißen Fahne und zu Verhandlungen hat“.

Vatikansprecher Matteo Bruni erklärte später, der Papst habe „vor allem zu einem Waffenstillstand aufrufen und den Mut zu Verhandlungen wiederbeleben“ wollen. Die Deutsche Bischofskonferenz erklärte dazu auf Anfrage, der Erklärung Brunis sei „nichts hinzuzufügen“.