Konfessionsloser Kanzler kommt auf Katholikentag gut an

Olaf Scholz nutzt seinen Katholikentagsbesuch für den Appell, mutig für Demokratie und Rechtsstaat zu kämpfen. Er verspricht, die Sorgen der jungen Generation ernstzunehmen – und weist Störer zurecht.

“Herr Scholz, warum reagieren Sie nicht auf die Sorgen der jungen Generation?” Lautstark stören sechs Zwischenrufer der “Letzten Generation” die Debatte mit dem Bundeskanzler. Halten Plakate hoch. “Sie haben nicht das Recht, eine Veranstaltung für ein paar Hundert Menschen für sich als Privatclub zu organisieren”, kontert Olaf Scholz. Fast schon routiniert, nachdem seine Auftritte zuletzt mehrfach gestört wurden. Der Saal applaudiert, als die Klimaaktivisten schließlich nach draußen begleitet werden.

Es ist eine der Hauptveranstaltungen des 103. Deutschen Katholikentags in Erfurt. 800 Zuhörer verfolgen im großen Theatersaal die weitgefasste Debatte über Gefährdungen der Demokratie, Klimaschutz, Populismus, Mindestlohn, Ehrenamt und AfD-Verbot.

Zum Ukraine-Krieg formuliert der Kanzler klar: “Deutschland ist einer der größten Waffenlieferanten. Das ist wichtig und richtig. Ich verspreche aber, die Dinge immer nur mit Besonnenheit in dieser schwierigen Lage zu entscheiden.” Ein großer Krieg zwischen Nato und Russland müsse unter allen Umständen verhindert werden. “Und gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass die Ukraine ihre Souveränität verteidigen kann. Ländergrenzen können nicht mit Waffengewalt verschoben werden.”

Der Saal applaudiert. Und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sagt nach dem Podiumsgespräch: “Für die Besonnenheit des Bundeskanzlers im Blick auf Waffenlieferungen bin ich sehr, sehr dankbar.”

Der erste konfessionslose Kanzler der Bundesrepublik hat sich Zeit genommen für seinen Besuch. Die Ausdauer des SPD-Politikers dürfte nicht nur mit den anstehenden Europawahlen zu tun haben, sondern auch mit den drei Landtagswahlen, die im Herbst in Sachsen, Thüringen und Brandenburg stattfinden. Die Bundesländer gelten als Hochburgen der AfD, die in Teilen als rechtsextrem eingestuft ist. Der Partei müsse man durch konkrete Politik begegnen, die den Menschen ihre Unsicherheit nehme, sagt Scholz. Ein AfD-Verbot stehe aber “erstmal nicht an”. Der Magdeburger Soziologe Mattias Quent weist darauf hin, “dass die große Mehrheit der AfD-Wähler in Westdeutschland lebt”.

Fast schon im Predigtton mahnt Scholz, alle Bürger seien gefordert, ausländerfeindliche und menschenverachtende Äußerungen niemals hinzunehmen. “Wir müssen auf das Miteinander und den Respekt voreinander bestehen. Es ist eine Daueraufgabe, hier ganz klar zu sein.”

Als Zeichen des Respekts für die jüdische Gemeinde besuchte der Bundeskanzler am Vormittag die Alte Synagoge Erfurts. Das mittelalterliche Gebäude zählt zusammen mit weiteren jüdischen Zeugnissen in Erfurt seit 2023 zum Welterbe der Vereinten Nationen und ist heute Museum. Kuratorin Maria Stürzebecher zeigt Scholz hier gefundene Schmuckstücke, einen von weltweit nur drei erhaltenen mittelalterlichen Hochzeitsringen. Über Jahrhunderte wurde das Gebäude anders genutzt. Zuletzt als Gaststätte mit Kegelbahn. Zu DDR-Zeiten verfiel der Komplex. Erst 2009 wurde er nach aufwendiger Sanierung als Museum wiedereröffnet.

“Ich bin beeindruckt”, sagte Scholz nach der Führung und einem Gespräch mit den Vertretern der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen. Der Synagogen-Termin kam auf Initiative der Stadt Erfurt zustande. “Der Kanzler hat die Einladung sehr gerne angenommen”, hieß es.

Zum Abschluss des halbtägigen Katholikentagsbesuchs geht der Kanzler auf Tuchfühlung mit den Ehrenamtlichen und Mitarbeitern der katholischen Verbände und Initiativen, die sich auf der Kirchenmeile vorstellen. Am Caritas international-Stand macht der Kanzler ein Selfie mit einem Rollstuhlfahrer. Nebenan informiert er sich bei der Telefonseelsorge, bei der katholischen Jugend und bei den Hilfsorganisationen Misereor und Renovabis. Nicht wenige Katholikentagsbesucher sind selig, dem Kanzler mal so nahe zu kommen.

Scholz sorgt für Lacher, als er versichert, Bürgergespräche seien seine liebsten Termine: “Da bekommt man viele interessante Fragen gestellt, anders als sonst oft in meinem Beruf!” Der Beruf aber wartet schon, als er den Katholikentag in seiner dunklen Kanzler-Limousine wieder verlässt.