Kommerzielle Leihmutterschaft ist in Deutschland längst Alltag

Trotz gesetzlichen Verbots floriert hierzulande das Geschäft von Agenturen, die Leihmütter im Ausland vermitteln. Die Bundesregierung zieht nicht-kommerzielle Lösungen in Erwägung. Ein Vorhaben, das auf Kritik stößt.

Am Montag sollen der Bundesregierung mit Spannung erwartete Empfehlungen vorgelegt werden – von der „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“. Ein Jahr lang haben neun Experten aus Medizin, Psychologie, Soziologie, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Rechtswissenschaft darüber beraten, ob und wie die Eizellspende und die sogenannte altruistische Leihmutterschaft in Deutschland legal werden könnten.

Nach einem Vorabbericht des „Spiegel“ vom Montag sieht die Kommission in beiden Bereichen Raum für Neuregelungen. Demnach soll es ethisch vertretbar sein, Eizellspenden zuzulassen, sofern bei einer Legalisierung der Schutz der Spenderinnen und das Kindeswohl gewährleistet seien. Bei der altruistischen Leihmutterschaft ohne Bezahlung liege es im Ermessen des Gesetzgebers, am bisherigen Verbot festzuhalten. In bestimmten Fällen könne sie aber zulässig sein, heißt es im „Spiegel“-Bericht.

Bislang ist beides in Deutschland verboten. Dennoch bekommt hierzulande jährlich eine unbekannte Zahl an Eltern Babys, die von einer Leihmutter ausgetragen wurden. Die Botschaften stellen regelmäßig den deutschen Pass aus, wenn die biologische Abstammung des Kindes von einem Elternteil belegt werden kann.

Eines dieser Kinder lebt im Allgäu, wird bald vier Jahre alt und heißt Maja. Ihre Eltern, Christian Bair und sein Mann Stefan, haben ihre Tochter von einer Leihmutter in Kalifornien austragen lassen. „‚Ich vermisse Mama Roxana‘, hat Maja neulich gesagt. Sie weiß, dass sie noch eine Mama in Amerika hat“, erzählt Bair. Die Familie geht offen mit dem Thema um. In ihrer Wohnung in Memmingen hängen Bilder von einem gemeinsamen Besuch in Kalifornien.

Dass die „Kinderwunschreise“, wie Bair sagt, nicht immer für alle Beteiligten harmonisch abläuft, ist dem 44-Jährigen bewusst. „Leider werden in vielen Ländern Frauen als Leihmütter ausgebeutet. Deswegen haben wir uns bewusst für Kalifornien entschieden, auch wenn das viel teurer war.“ Bair ist der Überzeugung, dass eine Legalisierung in Deutschland dazu beitragen könnte, diesen Missständen Einhalt zu gebieten – und eine „Kinderwunschreise“ gewissenhafter und geordneter zu gestalten.

USA, Mexiko, die Ukraine, Kolumbien, Spanien, Israel, Zypern – die Liste der Staaten, die deutsche Kinderwünsche erfüllen, ist lang. Seit 2014 werde das Verbot der Leihmutterschaft systematisch unterwandert, sagt Sevda Evcil, Geschlechterforscherin am Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim. Damals hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass ausländische Gerichtsentscheidungen, die die rechtliche Elternschaft zusprechen, in Deutschland unter bestimmten Umständen anerkannt werden können.

Ein Urteil mit Folgen, erklärt Evcil: „Heutzutage lastet ein enorm großer Druck auf ungewollt kinderlosen Paaren.“ Mit einem Mehr an medizinischen Möglichkeiten steige dieser Druck noch an. Schließlich werde suggeriert, dass jeder ein Kind bekommen kann – mit dem nötigen Kleingeld. „Die Realität in vielen Ländern ist leider: Privilegierte kaufen und Arme reproduzieren.“

Auch eine altruistische, also nicht-kommerzielle Lösung, wie sie die Bundesregierung hat prüfen lassen, sieht die Forscherin kritisch. „Den Begriff für die unbezahlte Reproduktionsarbeit von Frauen zu benutzen, ist gefährlich. Und es ist diskriminierend gegenüber den Frauen, die auf einem kapitalistischen, frauenfeindlichen Markt ausgebeutet werden.“

Auch Christian Bair hält die altruistische Leihmutterschaft für schwierig: „Die Frauen bringen eine enorme Energie dafür auf, das soll auch anständig bezahlt werden. Und es muss klare Spielregeln geben. Die Anwendung des altruistischen Modells kann gleichsam das Öffnen der Büchse der Pandora bedeuten.“ Bair engagiert sich als Botschafter für die Kinderwunsch-Messe „Wish for Baby“, die jährlich in Berlin und Köln stattfindet. Agenturen aus der ganzen Welt werben dort um Wunscheltern sowie für Leihmutter-Programme oder Eizellspenden.

Rund um den Jahreswechsel versprach ein zypriotischer Anbieter beispielsweise einen großzügigen Weihnachts-Rabatt auf alle Kinder. Eine ukrainische Agentur mit Sitz in Lviv wirbt mit einer erfolgreichen Vermittlung schon ab 47.000 Euro – ein Bruchteil von dem, was die Bairs in Amerika für ihr Babyglück bezahlt haben.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) erhofft sich von einer Neuregelung eine Stärkung der „reproduktiven Selbstbestimmung“ von Frauen. Die Sorge vor Missbrauch treibt indes auch die Bundesregierung um. Die Kirchen sprechen sich gegen Leihmutterschaft aus, weil sie die Rechte von Frauen und Kindern gefährdet sehen. Fest steht jedoch: Der nicht-altruistische Markt ist in Deutschland längst angekommen.