In Berlin wäre in diesem Monat fast ein Kirchenasyl gebrochen worden. Das allerdings nicht durch die Berliner Polizei, sondern durch Einsatzkräfte aus Hamburg. Es geht um vier afghanische Männer aus Hamburg, die sich in die Evangelisch-Lutherische Dreieinigkeitsgemeinde in Berlin-Steglitz geflüchtet hatten, um ihrer Abschiebung zu entgehen. Diese Gemeinde ist Heimat für Christen aus Afghanistan und dem Iran und nach eigenem Bekunden die größte Gemeinde in Deutschland, die den Gottesdienst in Farsi feiert. Sie bietet auch immer wieder Christen aus diesen Ländern Kirchenasyl an, damit die Behörden Zeit bekommen, die Fälle neu zu überdenken.
Pastor Gottfried Martens erläutert den Hintergrund: „Die Afghanen sind konvertierte Christen, unter den Taliban sind sie wegen ihres Glaubens an Leib und Leben bedroht.“ Alle vier Männer hätten bereits mehrere Jahre in Schweden gelebt. Doch die dortige Minderheitsregierung, die von den rechten Schwedendemokraten toleriert wird, hätte ihnen wie zahlreichen anderen Afghanen auch die Aufenthaltserlaubnis entzogen und die Abschiebung in den Taliban-Staat Afghanistan angedroht. In einem Asylverfahren in Deutschland sähen sie eine Chance, dem zu entkommen. Von den ursprünglich vier Männern leben noch drei in seiner Gemeinde. Einer sei nach Hamburg zurückgekehrt, weil ihm die Abschiebung nicht mehr unmittelbar drohe.
Berlin respektiert Kirchenasyl
Hamburgs Behörden hatten Anfang Juli von Berlin die Überstellung der Männer gefordert. Sie sollten gemäß den Dublin-Regeln nach Schweden abgeschoben werden. Doch Berlin weigerte sich. Traditionell dringt die Polizei aus Respekt vor der Institution Kirche nicht in sakrale Räume ein, sondern respektiert das Kirchenasyl. In letzter Zeit hat es jedoch immer wieder Beispiele gegeben, wo Behörden das Kirchenasyl brachen, auch in Hamburg. Im September 2024 holte die Polizei in Hamburg erstmals einen Afghanen aus einem Kirchenasyl in einer katholischen Kirche. Der Mann wurde nach Schweden abgeschoben. Anders als Hamburg respektiert Berlin das Kirchenasyl generell.

Weil Berlin keine Polizisten in die Kirche schickte, schrieb Hamburgs SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher einen Beschwerdebrief an Berlins Regierenden Kai Wegner (CDU). Die Berliner Zeitung, der der Brief vorliegt, spricht von einem „ungewöhnlich drastischen Brief“. Sie zitiert Tschentscher beispielsweise mit dem Vorwurf des „systematischen Missbrauchs des Kirchenasyls, indem Flüchtlinge in Kirchenräume aufgenommen werden, (…) deren Rückkehrpflicht in einen anderen EU-Mitgliedstaat rechtskräftig festgestellt wurde“. Weiter heißt es, es sei nicht hinnehmbar, dass „die Überstellung nach der Dublin-III-Verordnung von einer Berliner Kirchengemeinde vereitelt“ werde.
Kai Wegner und Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) bestätigen der Evangelischen Zeitung den Eingang des Schreibens des Ersten Bürgermeisters von Hamburg und kritisieren es ungewöhnlich scharf. „Über die Wortwahl eines Schreibens entscheidet jeder selbst, unsere Tonlage ist dies nicht.“
Bruch des Kirchenasyls stand kurz bevor
Inhaltlich sehen Wegner und Spranger die Verantwortung für die Nichtüberstellung der Männer nach Schweden bei Hamburg. „Das Hamburger Amt für Migration hatte Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten“ für die Kirchengemeinde erwirkt. Damit wäre Hamburg in der Lage gewesen, mit eigenen Polizeikräften in die Berliner Kirchengemeinde einzudringen. „Die Hamburger Polizei wollte den Einsatz in Berlin auch durchführen, hat dann jedoch kurz vor Ablauf der Frist auf Intervention des Hamburger Innenressorts auf einen Einsatz in Berlin verzichtet.“
Mit anderen Worten: Der Bruch des Kirchenasyls stand kurz bevor. Doch statt selbst zu handeln hätte Hamburg, so Spranger und Wegner, auf dem Weg der Amtshilfe Berlin gebeten, die Männer aus dem Kirchenasyl zu holen und nach Rostock zur Fähre nach Schweden zu bringen. Doch in Berlin ist es Weisungslage, das Kirchenasyl zu achten.
