Kirchen locken mit Düften ins Gotteshaus – nicht nur zu Ostern

Wie riecht Auferstehung? Wie riecht Weihnachten? Auf diese Fragen wollen Bochumer Theologen und Duftentwickler Antworten gefunden haben.

Weihrauch bekommt Konkurrenz: Duftforscher suchen nach Duft-Alternativen für Kirchen
Weihrauch bekommt Konkurrenz: Duftforscher suchen nach Duft-Alternativen für Kirchenepd-Bild / Matthias Balk

Ostern kann man riechen – zumindest wenn es nach Bochumer Wissenschaftlern geht. Das Zentrum für angewandte Pastoralforschung (zap) entwickelt Raumdüfte für verschiedene kirchliche Feste. „Raumbeduftung kann ein zeitgemäßer, attraktiver und überraschender Weg der Glaubenskommunikation sein“, sagt dessen Direktor Matthias Sellmann.

Seit rund zwei Jahren bietet das zap Düfte für Kirchen an. „Nichts gegen Weihrauch – aber im Bereich des Sehens und des Hörens sorgen wir ja auch für Vielfalt“, sagt Sellmann. Die Beduftung erhöhe zudem die Aufenthaltsqualität in Gotteshäusern. Rund 70 Kirchen nutzen den Angaben zufolge die „zap:aerothek“. Die umfasse einen Diffusor, die vier verschiedenen Düfte sowie ein Buch mit Hintergrundinformationen und Tipps zum Einsatz in Liturgie und Verkündigung.

Duft der Auferstehung: Florale Kopfnote

Der Geruch zur Fastenzeit und zu Ostern heißt „Kenosis“. Ausgiebig beschrieben wird er als „Duft mit cremigen, sauberen und grünen Nuancen, die schließlich in einer holzigen und warmen Basis ausklingen.“ Dies sei, so das zap, nicht „einfach ein heiterer Frühlingsduft“. Immerhin gehe es um die theologische Aussage von Kreuz und Auferstehung. Die Duftkomposition habe eine florale Kopfnote, darunter liege jedoch als Bauchnote Myrrhe, also ein Bitterkraut mit herben, holzigen Aromen. „Myrrhe wurde Jesus am Kreuz angeboten – so möchten wir symbolisieren, dass Aufblühen und Schmerz immer zusammengehören“, erklärt Sellmann. „Der Duft stimuliert Kraft für Auf- und Durchbrüche. Damit das Leben gewinnt.“

Der Weihnachtsduft „Physis“ riecht frisch und warm, beispielsweise durch Mandarine und Vanille. Der Pfingstduft will die Dynamik dieses Festes und der Jahreszeit festhalten und kommt mit einer frischen Kopfnote aus Bergamotte, Pfeffer und Cassis sowie Spuren von Leder und Maiglöckchen daher. Außerdem gibt es einen dezenten Alltagsraumduft, der mit einer leichten Blumigkeit und einer weichen, holzigen Note beschrieben wird.

Die Nachfrage und das Interesse an den Kirchenraumdüften ist da

Hanns Hatt ist Zellphysiologe und Duftforscher und hat die Düfte mit entwickelt. Im Interview mit dem Essener Bistumsmagazin „Bene“ erklärt er, wie Düfte auf Körper und Gesundheit wirken: „Duftrezeptoren haben wir nicht nur in der Nase, sondern zum Beispiel auch in der Haut, in den Bronchien und sogar im Herzen. Rezeptoren sind Proteine, die auf den Oberflächen der Zellen sitzen und auf Duftreize reagieren. Kommen diese Rezeptoren mit bestimmten Duftstoffen in Kontakt, kann das zu erstaunlichen Reaktionen führen: Haare wachsen schneller, die Atmung wird leichter, der Herzschlag reguliert sich.“ Die Forschung dazu stehe allerdings noch am Anfang.

Nach dem Besuch eines Gotteshauses trage man den Weihrauchduft in die Welt hinaus und setze damit ein Statement. Viele Menschen würden Weihrauch aber als unangenehm empfinden, so Hatt. Deshalb die frischeren und moderneren Kirchendüfte. Für Theologe Sellmann ist die „aerothek“ auch ein Symbol: „Es muss frischer Wind durch die Kirche wehen; raus mit Mief und Moder, rein mit neuem Atem. Neue, unerwartete Zugänge zu den Glaubensgeheimnissen helfen dabei.“

Die Nachfrage und das Interesse an den Kirchenraumdüften ermutigt ihn darin, weiter in solche andere, neue Ausdrucksformen für pastorale Arbeit zu investieren. „Besonders freut mich, dass Bewahrer und Reformer gleichermaßen Interesse und große Wertschätzung für die Aerothek zeigen“, so Sellmann. Er sieht sie als etwas, dass innerkirchliche Polarisierungen überbrücken kann.