Hunderttausende demonstrieren gegen Rechtsextremismus

In Deutschland sind am Wochenende Hunderttausende Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. Rund 40.000 Menschen versammelten sich am Sonntagmittag in Bremen, mehrere Zehntausend kamen zur gleichen Zeit in Köln zusammen. Vielerorts war der Andrang zu den Demonstrationen deutlich größer als von den Veranstaltern erwartet. In Frankfurt am Main etwa, wo die Polizei am Samstag rund 35.000 Menschen zählte, musste der Bereich der Kundgebung vom Marktplatz Römer auf die umliegenden Straßen und Plätze ausgeweitet werden.

Ebenfalls etwa 35.000 Menschen demonstrierten nach Polizeiangaben am Samstag in Hannover. In Dortmund protestierten etwa 30.000, in Karlsruhe und Stuttgart jeweils 20.000, in Heidelberg 18.000 und in Kassel 15.000 Menschen gegen das Erstarken rechter Kräfte wie der AfD. Kundgebungen gab es auch in zahlreichen weiteren Städten, darunter Wuppertal, Braunschweig, Erfurt und Nürnberg. In Berlin und München waren Demonstrationen für den Sonntagnachmittag geplant.

Auslöser der Protestwelle war eine „Correctiv“-Recherche über ein Treffen von AfD-Vertretern mit Neonazis und Unternehmern Ende November. Dabei wurde über die massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationsgeschichte gesprochen.

„“Das, was ihr hier zeigt, ist gelebter Verfassungsschutz„, rief der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) den Protestierenden in Hannover zu. Die AfD und die Rechtsextremen verschöben die Grenzen des Sag- und Denkbaren nach rechts. “Migrantinnen und Migranten, seien sie kurz hier oder auch in der vierten Generation, sie alle sind Teil unserer Gemeinschaft“, unterstrich Weil.

Der hannoversche evangelische Landesbischof Ralf Meister sagte, es sei wichtig, die Demokratie zu verteidigen und sich für sie einzusetzen. Wer dagegen anderen Menschen Rechte abspreche, vom völkischen Mythos fasele und das Parlament zur „Pöbelstube“ mache, sei ein „demokratischer Verräter“. In Frankfurt betonte Oberbürgermeister Mike Josef (SPD): „Wir vertreiben keine Menschen, wir heißen sie willkommen.“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begrüßte in einem Zeitungsinterview die bundesweiten Demonstrationen. „Es stimmt mich sehr positiv, dass so viele Menschen in den vergangenen Tagen für die Demokratie auf die Straße gegangen sind“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Die Demokratie werde angegriffen und stehe vor großen Herausforderungen. „Wir müssen sie aktiv verteidigen“, mahnte Faeser. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) wertete die Proteste als „ermutigendes Zeichen für die Demokratie“. „Demokratie lebt von den Menschen, die dafür aufstehen“, sagte der Wirtschaftsminister der „Augsburger Allgemeinen“ (Montag).

Auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, lobte die Demonstrationen als wichtiges Signal gegen wachsenden Extremismus. Er habe bislang das Gefühl gehabt, dass die hohen Umfragewerte und Wahlerfolge der AfD „niemanden hinter dem Ofen“ hervorlocken, sagte Schuster der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstag). Das habe ihm Sorgen gemacht. „Deshalb bin ich erfreut, wenn Leute jetzt auf die Straßen gehen und ihren Unmut zum Ausdruck bringen.“

Der Extremismusforscher Andreas Zick sieht in den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus eine Stärkung der Demokratie. Dass die Kirchen, Richter und die Unternehmen, die länger still gewesen seien, nun die Proteste begleiteten, zeige zudem, dass dies kein Strohfeuer sei, sagte Zick am Sonntag in Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das sei der Versuch, die Brandmauer gegen Extremismus und Populismus wieder zu kitten.