Humanitäre Hilfe: Warum die EU auf lokale Akteure setzen sollte

Immer mehr Menschen weltweit brauchen humanitäre Hilfe zum Überleben. Während die Zahl der Krisen steigt, stellen die reichen Länder immer weniger Geld zur Verfügung. Darüber, wie Hilfe dennoch gelingen kann, beraten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dem dritten Europäischen Forum für humanitäre Hilfe in Brüssel. Die EU sollte ihre Regeln für humanitäre Hilfe überarbeiten und stärker mit lokalen Akteuren zusammenarbeiten, sind sie sich einig.

„Aus unserer Sicht müssen lokale Akteure im Zentrum der humanitären Hilfe stehen“, sagte De-Joseph Kakisingi, Präsident des Dachverbands für Nichtregierungsorganisationen in der Demokratischen Republik Kongo (CONAFOHD). Für eine wirksame und nachhaltige humanitäre Hilfe der EU brauche es eine strategische Partnerschaft auf Augenhöhe mit Initiativen vor Ort.

Im Kongo gebe es beispielsweise eine Region, die dringend Hilfe brauche, erklärte Kakisingi am Rande des Treffens, das als der größte humanitäre Gipfel der Welt gilt. Die gute Nachricht laute: Es gibt internationale Fördergelder, insgesamt zehn Millionen US-Dollar. Das Problem sei, der Spender wolle zwingend, dass die Hilfe von einer internationalen Organisation umgesetzt werde. Die Menschen vor Ort lehnten das aber ab, sie vertrauten nur lokalen Initiativen. So sei die Hilfe seit zwei Jahren blockiert.

2023 belief sich die weltweit geleistete humanitäre Hilfe auf 23 Milliarden US-Dollar. Über 43 Prozent davon kamen aus Europa: von der EU, von Großbritannien, Norwegen und der Schweiz. UN-Angaben zufolge liegt der jährliche Bedarf allerdings bei 45 bis 50 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Das Versprechen, lokale Akteure ins Zentrum der Hilfsprogramme zu stellen, gebe es seit Jahren, kritisiert auch Ralf Südhoff, Direktor des Berliner Centre for Humanitarian Action. Das sei eine der wichtigsten Reformen, welche die EU vorantreiben müsse. „Hilfe wäre viel wirksamer und viel würdevoller, wenn man lokale Organisationen stärker einbezieht. Sie können Hilfe vielfach besser und günstiger leisten. Sie wissen ja am besten, was vor Ort gebraucht wird.“

Viele internationale und auch deutsche Hilfsorganisationen machten ihre Hausaufgaben aber nicht, sagte Südhoff. „Man müsste internationale Organisationen zwingen, sich Schritt für Schritt auf eine andere Art der Hilfe einzulassen, in der sie oftmals eher Vermittler und Berater für lokale Organisationen wären.“

Zumindest diese Richtung hat die EU bereits eingeschlagen. Auf dem Europäischen Forum für humanitäre Hilfe 2023 stellte die EU ihren neuen Leitfaden zur Förderung von gleichberechtigten Partnerschaften mit lokalen Akteuren vor.

„Das ist gut, nicht jeder hat so etwas“, begrüßt Daniela Simm von der Diakonie Katastrophenhilfe. Die Frage sei jetzt aber, wie man den Ansatz umsetze. Die großen Player, wie die Vereinten Nationen, neigten weiter dazu, Parallelstrukturen aufzubauen, statt zunächst zu überprüfen, welche bereits vorhanden sind. „Die internationale Hilfe muss sich den lokalen Strukturen anpassen und nicht umgekehrt“, sagte sie.

„Wir müssen endlich von der Theorie in die Praxis kommen“, betonte Kakisingi. Eine Möglichkeit dafür sieht er in länderbasierten Sammelfonds. „Solche Fonds sollten lokal verwaltet werden, so könnte die EU Gelder direkt an lokale Initiativen geben.“ Bisher verhindern die internen Regeln der EU, dass lokale Gruppen direkt finanziert werden. Die humanitären Mittel werden nur an in der EU ansässige Organisationen und an UN-Agenturen gegeben.

Die Überprüfung lokaler Initiativen sei problemlos möglich, bestätigte Simm. Wichtig sei eine beständige Zusammenarbeit. Probleme könnten eher im Falle von plötzlich auftretenden Krisen auftauchen, bei denen man neue Partnerschaften aufbauen müsse. Im Kongo etwa sei die Diakonie Katastrophenhilfe seit 20 Jahren aktiv, man kenne und vertraue sich. In solch langjährigen Partnerschaften würden auch die Akteure vor Ort Probleme melden, weil sie das nötige Vertrauen hätten.

„Für uns ist es traurig, frustrierend und unverständlich, wenn wir nicht eingebunden werden. Wir waren vor der Krise da, wir sind währenddessen da und wir werden auch dortbleiben“, sagt Kakisingi. Wie kann es da sein, dass man uns außen vor lässt?“