Holocaust-Gedenken im Bundestag – Judenhass etwas „Perverses“

Eine Auschwitz-Überlebende und ein Journalist sprechen am Vormittag in der Gedenkstunde des Bundestages in Berlin. Dort wird an die NS-Opfer erinnert. Auch Vertreter der Sinti und Roma gedenken der Ermordeten.

Anlässlich der Gedenkstunde im Bundestag für die Opfer des Nationalsozialismus hat einer der Redner, der Sportjournalist Marcel Reif, gestiegenen Antisemitismus als etwas „Undenkbares und Perverses“ bezeichnet. Er könne das kaum in Worte fassen, sagte der 74-Jährige der „Bild“-Zeitung (Mittwoch). Daher sei es gut, wenn Menschen nun auf die großen Demonstrationen gingen und Deutschland aufwache. Angesichts von Antisemitismus müsse sich sein Vater im Grab umdrehen. Dass Judenhass wieder zum Thema und „gelebter Wirklichkeit“ geworden sei, habe er sich nicht vorstellen können.

Reifs Vater hatte die Schoah überlebt. In der Gedenkstunde am Vormittag spricht Reif als Vertreter der zweiten Generation. Die Gedenkstunde steht im Zeichen der generationenübergreifenden Aufarbeitung des Holocausts. Erwartet wird neben Reif auch Eva Szepesi, die Auschwitz als Kind überlebt hat.

Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus wurde in Deutschland 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog eingeführt. Im November 2005 verabschiedete auch die Vollversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution, die den 27. Januar zum weltweiten Gedenktag macht.

Anlässlich der Gedenkstunde erinnerte der Generalsekretär der Bundesvereinigung der Sinti und Roma, Romeo Franz, an die Hunderttausenden ermordeten Sinti und Roma Europas. Er nimmt an der Veranstaltung im Bundestag teil und wird dort den Angaben zufolge auch seiner eigenen ermordeten Angehörigen gedenken.

Dirk Lukaßen vom NS-Dokumentationszentrum in Köln sagte im ARD-Morgenmagazin, dass angesichts einer kleiner werdenden Zahl von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen Dokumenten künftig eine noch größere Rolle zukommen werde. Es sei wichtig, dass sie noch zugänglicher gemacht würden, denn über Dokumente, die zum Teil auch in Tönen vorlägen, könne viel über Geschichte erzählt werden.

In der Arbeit mit jungen Menschen sei es wichtig, mit ihnen über ihre eigenen Wahrnehmungen zu sprechen, betonte Lukaßen. Denn nur dann könne man wissen, wie sie dächten. Man dürfe sich ihnen gegenüber nicht moralisch erheben und eine bestimmte Art und Weise des Gedenkens vorgeben. „Man muss deutlich machen, dass Erinnerungskultur gestaltet wird und nichts ist, was fest ist.“ Ein solcher Ansatz wirke sich erhaltend auf die Gedenkkultur aus.