Höcke-Prozess vor Abschluss

Kaum ein Prozess hat zuletzt in Deutschland so viel öffentliche Aufmerksamkeit erlangt wie das Verfahren vor dem Landgericht Halle gegen den Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke. Er soll im Mai 2021 bei einem Wahlkampfauftritt in Merseburg in Sachsen-Anhalt wissentlich eine Parole der SA, der früheren Sturmabteilung der Nationalsozialisten, verwendet haben. Höcke ist daher wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs angeklagt. Am Dienstag wird mit einem Urteil gerechnet (AZ: 5 KLs 6/23).

Seine Rede beendete er damals mit der Formel „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“. Dabei war ihm laut Anklage bewusst, dass der letzte Teil eine SA-Parole war.

Höcke wies die Vorwürfe zurück. Dass er den SA-Slogan als studierter Historiker und früherer Geschichtslehrer hätte kennen müssen, bestritt er ebenfalls. Als vermeintlichen Beweis zeigte er mehrere Geschichtsbücher, in denen „nichts, aber auch gar nichts“ über diese Parole enthalten sei. Er distanziere sich von jeder Art von Diktatur.

Die Staatsanwaltschaft Halle konfrontierte Höcke unter anderem mit Aussagen zweier weiterer AfD-Politiker, die ebenfalls den Slogan „Alles für Deutschland“ verwendet hatten. Davon will Höcke in beiden Fällen nichts gewusst haben. Zudem führten die Staatsanwälte eine Passage aus Höckes Interviewbuch „Nie zweimal in denselben Fluss“ von 2018 an. Sie zitierten ihn mit der Aussage, die „Grenze des Sagbaren“ müsse Schritt für Schritt erweitert werden.

Höcke tritt bei den Landtagswahlen in Thüringen am 1. September als Spitzenkandidat seiner Partei an. Die AfD liegt in dem Bundesland seit Monaten in Umfragen vorn, wird allerdings vom dortigen Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft. Alle anderen Parteien schlossen eine Zusammenarbeit mit der AfD aus.

Der Vorsitzende Richter Jan Stengel hat bereits durchblicken lassen, dass im Falle einer Verurteilung Höckes lediglich eine Geldstrafe zu erwarten sei. Bei einer Freiheitsstrafe würde dem AfD-Politiker die Aberkennung seiner Amtsfähigkeit drohen.

Am vermutlich letzten Prozesstag am Dienstag möchte die Staatsanwaltschaft ein Video einer Rede vom Dezember 2023 im thüringischen Gera zeigen lassen. Dort verwendete Höcke die SA-Formel nochmals indirekt, indem er seine Rede mit „Alles für…“ beendete und das Publikum mit Gesten animierte, „Deutschland“ zu ergänzen.

Über beide Vorfälle sollte nun verhandelt werden, doch wegen eines kurzfristigen Verteidigerwechsels bei Höcke wurden die Verfahren getrennt. Die Staatsanwaltschaft hätte die Verfahren gerne wieder zusammengeführt, doch der zuständige Richter wies das Ansinnen mit dem Argument zurück, das jetzige Verfahren sei bereits zu weit fortgeschritten, um noch einen weiteren Anklagepunkt einzuführen.

Die Rede in Gera könnte als „Nachtatverhalten“ strafverschärfend wirken. Deshalb wollen Höckes Verteidiger die Vorführung des Videos unter Hinweis darauf verhindern, dass über Vorwürfe im Zusammenhang mit der Rede noch in einem separaten Verfahren verhandelt wird.