Heil: Keine Einigung über Zustimmung zu EU-Lieferkettengesetz

Die FDP hat sich nicht umstimmen lassen: Deutschland wird dem EU-Lieferkettengesetz in Brüssel nicht zustimmen. Die SPD zeigt sich enttäuscht, Initiativen üben scharfe Kritik.

Deutschland wird dem EU-Lieferkettengesetz nicht zustimmen
Deutschland wird dem EU-Lieferkettengesetz nicht zustimmenImago / Steinach

Deutschland wird dem in Brüssel bereits ausgehandelten Kompromiss zum EU-Lieferkettengesetz nicht zustimmen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erklärte in Berlin, die FDP habe das abgelehnt: „Dass sich Deutschland aufgrund einer ideologisch motivierten Blockade der FDP bei der anstehenden Abstimmung enthalten muss, enttäuscht mich sehr“, erklärte Heil. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) bestätigte das Scheitern einer regierungsinternen Einigung. Menschenrechtsorganisationen bewerten die Vorgänge als skandalös.

Heil erläuterte, um eine deutsche Zustimmung zu erreichen, habe er regierungsintern Kompromiss- und Lösungsvorschläge zur Entlastung deutscher Unternehmen gemacht. „Die FDP war nicht bereit, diesen Lösungsweg mitzugehen, und hat ihn jetzt definitiv abgelehnt“, sagte der SPD-Politiker.

FDP hält Lieferkettengesetz für „nicht zumutbar“

Bundesfinanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann (beide FDP) hatten vorige Woche mitgeteilt, dass sie das auf EU-Ebene bereits vereinbarte Vorhaben nicht mittragen wollen. Das geplante Gesetz gehe weit über das hinaus, was für „praxistauglich und zumutbar“ erachtet werde, erklärten sie. Das FDP-Veto hat im Rat der EU eine Enthaltung Deutschlands zur Folge, die im Ergebnis wie eine Nein-Stimme wirkt.

Die FDP-Minister Marco Buschmann (li.) und Christian Lindner wollen das EU-Lieferkettengesetz stoppen
Die FDP-Minister Marco Buschmann (li.) und Christian Lindner wollen das EU-Lieferkettengesetz stoppenImago / Christian Spicker

Buschmann bestätigte, dass die FDP bei ihrem Nein bleibe. Auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) erklärte er: „Dem Entwurf stimmen wir nicht zu.“ Er teile das Ziel hoher Standards in den Lieferketten, doch dürfe dies nicht „zu einer Selbststrangulierung unseres Wirtschaftsstandorts führen“. Die EU-Richtlinie werde den deutschen Zielen nicht gerecht. Die Risiken für die mittelständisch geprägte Wirtschaft überwögen, erklärte Buschmann. Das Finanzministerium wollte keine Stellung nehmen.

Die Initiative Lieferkettengesetz, ein Bündnis von 140 zivilgesellschaftlichen Organisationen, verurteilte den deutschen Rückzug scharf. Er schädige das Ansehen Deutschlands als verlässlicher politischer und wirtschaftlicher Partner in der EU und zeige, welche geringe Priorität Menschenrechte sowie Klima- und Umweltschutz für die Bundesregierung haben, erklärte die Initiative.

Abstimmung ist eine Formsache – eigentlich

Heil hatte die EU-Richtlinie federführend mitverhandelt. Sie soll helfen, in den internationalen Lieferketten die Ausbeutung einzugrenzen. Nach der Einigung von EU-Kommission, EU-Parlament und Mitgliedsstaaten gilt die finale Abstimmung über den Gesetzestext durch die EU-Staaten und das Parlament normalerweise als Formsache. Mit der Enthaltung Deutschlands ist nun unklar, ob es unter den EU-Ländern bei der voraussichtlich am Freitag stattfindenden Abstimmung eine Mehrheit für das Vorhaben geben wird.

In Deutschland gilt bereits seit 2023 ein nationales Lieferkettengesetz. Die geplante EU-Richtlinie, die in nationales Gesetz umgesetzt werden müsste, geht teilweise über das deutsche Gesetz hinaus. Sie soll Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 150 Millionen Euro verpflichten, Standards in den Lieferketten sicherzustellen. Anders als das deutsche Gesetz soll die EU-Regelung auch die Möglichkeit für zivilrechtliche Haftungen vorsehen.

„Kleinster Koalitionspartner diktiert die Agenda“

Verschiedene deutsche Unternehmen wie Aldi Süd, Kik oder Tchibo sowie der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft riefen die Bundesregierung auf, für das EU-Lieferkettengesetz zu stimmen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) müsse den bereits ausgehandelten Kompromiss sichern. Die Forderungen des Gesetzes seien angemessen und umsetzbar. Für Unternehmen, die bereits die deutschen Regeln einhalten, bedeute eine europaweite Regelung, „dass Wettbewerbsvorteile auf Kosten von Mensch und Umwelt endlich unterbunden werden“, heißt es in dem Aufruf der Unternehmen.

Die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch warf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor, „sich vom kleinsten Koalitionspartner die Agenda diktieren“ zu lassen. Die katholische Hilfsorganisation Misereor sprach von einem „Einknicken des Bundeskanzlers vor der Wirtschaftslobby“. Das gelte leider auch für Vizekanzler Robert Habeck (Grüne), der allem Anschein nach nicht auf ein Machtwort des Kanzlers gedrängt habe.

Amnesty International nannte Deutschlands Kehrtwende „skandalös“. Obwohl sich SPD, Grüne und FDP verständigt hätten, das EU-Lieferkettengesetz zu unterstützen, habe Deutschland bereits während der Verhandlungen die Regeln wiederholt abgeschwächt. Oxfam Deutschland erklärte, die Bundesregierung stelle Profitinteressen über den Schutz von Menschenrechten. Schlössen sich weitere EU-Länder der deutschen Haltung an, „stünde die Tür für Kinderarbeit und Ausbeutung weit offen“, erklärte die Organisation, die gegen Armut und Ungleichheit eintritt.