Fahnen an Kirchen: Regenbogen mit Folgen?

Es gehört inzwischen zum guten Ton, dass Kirchen zum Pride Month oder Christopher Street Day (CSD) eine Regenbogenfahne hissen. Ein Blick ins Kirchenrecht wirft die Frage auf: Dürfen Gemeinden das?

Eine Pride-Fahne vor der Parochialkirche Berlin
Eine Pride-Fahne vor der Parochialkirche BerlinSabine Hoffmann

Bunt, teils schrill angezogene Menschen laufen in diesen Tagen wieder durch die Straßen. Köln, Berlin, Hamburg: Überfall feiern sie den Christopher Street Day (CSD). Auch die Kirche mischt seit einigen Jahren mit. Eine Regenbogenfahne hissen an der Kirche ist für viele das Mindeste. Nur gibt es hier – strenggenommen – ein Problem, von dem wahrscheinlich viele Gemeinden gar nichts wissen. Das Kirchenrecht besagt nämlich, dass das nicht erlaubt ist. Es wird dringend Zeit für ein Update.

Laut der entsprechenden Verordnung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) über die Beflaggung der kirchlichen Gebäude von 1947 darf an Kirchen nur die Kirchenfahne, also ein violettes Kreuz auf weißem Grund, gezeigt werden.

EKD-Verordnung geht wohl zurück auf Hakenkreuz-Flaggen an Kirchen

Michael Germann, Professor für Kirchenrecht an der Universität Halle, vermutet im Interview mit der Kirchenzeitung “Glaube + Heimat”, dass sich die Regelung aus der Erfahrung mit den Hakenkreuz-Flaggen an Kirchen während der NS-Zeit ergibt.

 

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Absolut richtig, dass sich Kirche hier klar positioniert und Regeln aufgestellt hat. Nur ist es aller höchste Zeit, die Verordnung fürs Hier und Jetzt anzupassen. Auch wenn einige genau das Gegenteil fordern: Kirche ist und kann nicht neutral sein, wenn um sie herum Unrecht geschieht. Sie kann nicht schweigen, wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken, die AfD gegen Geflüchtete hetzt und Menschen krakeelen, Liebe könne es nur zwischen Mann und Frau geben und alles andere sei „Sünde“.

Regenbogen-Fahnen erlaubt? Kirchenrecht braucht ein Update!

Was also tun? Die Themen in Predigten aufgreifen reicht nicht. Zu wenige Menschen werden in Zeiten von Mitgliederschwund damit erreicht. Ein Flyer im Gemeindekasten? Nett, aber für die breite Öffentlichkeit kaum sichtbar. Eine Fahne hissen macht da schon mehr Eindruck. Sie ändert nicht die Welt, ist aber ein starkes Zeichen. Selbstverständlich muss sich die Gemeinde darüber bewusst sein, dass das auch für Gegenwind sorgen kann und sich möglichen Diskussionen stellen.

Solange die Fahnen-Verordnung noch in ihrer jetzigen Form besteht, gibt es wie so oft Schlupflöcher. So projizierte einmal eine Kirche in der Nähe von Frankfurt mit Scheinwerfern bunte Farben an das Kirchengebäude statt einer „echten“ Regenbogenfahne. Und sowieso: Wo kein Kläger, da kein Richter.

Das funktioniert aber nicht auf Dauer: Es wird nicht lange dauern, bis Ärger droht. Deswegen frühzeitig handeln. In ein paar Monaten ist Herbsttagung der EKD-Synode. Das Flaggen-Update wäre ein wichtiger Tagesordnungspunkt.