Experte über den Umgang mit der AfD: Kirche muss politisch sein

Nach dem Urteil gegen „Die Heimat“ – früher NPD – stellt sich die Frage: Wie gehen wir weiter mit der AfD um? Der kirchliche Politikberater Matthias Blöser sieht auch die Kirche in der Pflicht.

Mit diesem Plakat wirbt die AfD vor einer Kirche für sich (Archiv)
Mit diesem Plakat wirbt die AfD vor einer Kirche für sich (Archiv)Imago / Steinach

Eine Nachricht, die dem Politikwissenschaftler Matthias Blöser Hoffnung macht: Die NPD-Nachfolgepartei „Die Heimat“ wird sechs Jahre lang von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen. Sie missachte die freiheitliche demokratische Grundordnung und sei in Zielen und Verhalten ihrer Mitglieder und Anhänger auf deren Beseitigung ausgerichtet, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Matthias Blöser arbeitet im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), hat Friedens- und Konfliktforschung studiert. Mit dem Urteil hatte er nicht gerechnet. Gehofft ja, aber mehr auch nicht, wie er erzählt. Seit Jahren setzt er sich im kirchlichen Kontext für die Stärkung der Demokratie ein, berät Gemeinden, referiert über Rechtsextremismus und Verschwörungsideologien. „Das Urteil hat gezeigt, dass unser Staat wehrhaft ist“, sagt Blöser. Und: Das Urteil komme zu einem günstigen Zeitpunkt.

Blöser: „Keine Verfassungsfeinde finanzieren“

Seit den Enthüllungen um ein geheimes Treffen mit AfD-Vertretern und Rechtsextremen läuft die Diskussion um ein mögliches AfD-Verbot auf Hochtouren. In den vergangenen Tagen sind Hunderttausende auf die Straße gegangen, um gegen das Erstarken der Partei zu demonstrieren. Nach dem Karlsruher Urteil haben bereits Politiker mehrerer Parteien gefordert, ob man nicht auf der AfD den Geldhahn zudrehen könne.

Matthias Blöser berät Kirchengemeinden zu Themen wie demokratische Teilhabe, Zivilcourage, Diskriminierung und extreme Rechte
Matthias Blöser berät Kirchengemeinden zu Themen wie demokratische Teilhabe, Zivilcourage, Diskriminierung und extreme Rechteprivat

Das würde Blöser natürlich begrüßen. „Der Rechtstaat sollte keine Verfassungsfeinde finanzieren“, betont der Experte. Große Hoffnung scheint er aber nicht zu haben. Trotzdem: Ein starkes Zeichen gehe von dem Urteil aus. Und das sei bitter nötig: „Unser Rechtsstaat ist massiv gefährdet“, beobachtet Blöser mit Blick auf die hohen Umfragewerte der AfD.

AfD-Verbotsverfahren kann nicht die einzige Lösung sein

Ob es mit einem Verbot der Partei getan wäre, da ist sich Blöser nicht sicher: „Die Stimmungslage im Land ist ja da.“ Was nach Ansicht des Experten jedenfalls nicht funktioniere: der AfD nacheifern. Worauf es wirklich ankomme, sei eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen, die die Bürgerinnen und Bürger bewegen. Und zwar weg vom Lieblingsthema der AfD – der Migration – etwa hin zur Frage nach Frieden und sozialen Gerechtigkeit, so Blöser. Er sieht also vor allem die demokratischen Parteien in der Pflicht. Aber nicht nur. Auch die Zivilgesellschaft müsse aktiv werden – und zwar mittel- und langfristig.

Auch wenn Blöser in der regen Teilnahme an den AfD-Protesten in diesen Tagen ein „großes Hoffnungszeichen“ sieht – die Menschen müssten immer und immer wieder ihre Stimme gegen Rechtsextremismus erheben. Gerade mit Blick auf die Europawahlen im Juni und die Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern im September.

Kirchengemeinden brauchen neue Gesprächsformate

Auch die Kirche sieht der Politikwissenschaftler in der Pflicht. „Wir brauchen Formate, um auch mit AfD-Wählerinnen und Wählern ins Gespräch zu kommen“, schlägt er vor, betont aber gleichzeitig, wie schwer dieses Vorhaben sei. Er habe selbst schlechte Erfahrungen damit gemacht, Menschen aus der AfD zu Diskussionen einzuladen. Hintergrundgespräche: Ja. Ihnen öffentliche eine Bühne zu geben: Nein, so Blösers bisheriges Fazit.

Die Frage, ob Kirche politisch sein sollte, ist für den Rechtsextremismus-Experte keine Frage: „Kirche muss politisch sein, sonst gibt es sie nicht mehr“. Jedenfalls, wenn man seine Rolle in der Nachfolge Jesu ernst nehme. „Das heißt nicht, dass ich in eine bestimmte politische Richtung gehen muss. Aber, dass ich eine klare Haltung habe – aus dem Evangelium heraus.“