Ex-Innenminister Baum: Grundrechte gefährdet wie nie

Eindringlich warnt der frühere Innenminister Gerhart Baum vor dem Erstarken rechter Kräfte. Bei der Vorstellung des “Grundrechte-Reports” macht er eine Bedrohung aus, wie er sie noch nicht erlebt habe.

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) hält die Grundrechte und die demokratische Ordnung in Deutschland von innen wie von außen für so gefährdet wie nie zuvor. Es gebe ein Einsickern von Rechten und rechter Ideologie in die Gesellschaft und ihre Institutionen, warnte der 91-Jährige am Mittwoch bei der Vorstellung des zivilgesellschaftlichen “Grundrechte-Reports” in Berlin. Dabei gehe es nicht nur um die AfD und ihre Vorfeldorganisationen.

Soziologen beobachteten schon länger eine Strömung, die zu einer Verrohung von Teilen des Bürgertums geführt habe, so Baum. “Das erschreckende Misstrauen in die demokratischen Parteien und Institutionen führt dazu, dass es eine ganze Anzahl von Wählern gibt, die eine Neonazi-Partei wählen, um ihren Protest zum Ausdruck zu bringen.”

Zugleich attackierten mächtige Kräfte wie China oder Russland die Weltordnung, die wie das deutsche Grundgesetz, das am Donnerstag 75 Jahre alt wird, auf der Menschenwürde gründe. Er nehme einen “gefährlichen Moment der Menschheitsgeschichte” wahr, sagte Baum.

Beispielhaft für innere Bedrohungen für die Grundrechte nannte der frühere Minister das Thema Asyl. Bei allen notwendigen Diskussionen trete der Kern des Grundrechts auf Asyl in den Hintergrund, da ein Abwehrgedanke inzwischen den eigentlichen Schutzgedanken verdecke.

Deutschland bleibe nach außen hin nur glaubwürdig, wenn es im Innern selbstkritisch bleibe, meinte Baum. Dazu gehöre auch, die Meinungsfreiheit als Grundelement der Demokratie genauso wie die Kunstfreiheit oder die Versammlungsfreiheit hochzuhalten. Auch müssten Entwicklungen wie Desinformation oder Künstliche Intelligenz ethisch eingehegt werden.

Der “Grundrechte-Report” wird jährlich seit 1997 von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Pro Asyl oder der Humanistischen Union herausgegeben. In diesem Jahr finden sich darin 44 Artikel, die Themen wie Asylrecht, Versammlungs- und Meinungsfreiheit, geschlechtliche Selbstbestimmung, das Recht auf Wohnen oder eine Kindergrundsicherung erörtern.