EKD-Chef warnt vor „asozialen Medien“

Menschen in öffentlicher Verantwortung seien Angriffen ausgesetzt, kritisiert der EKD-Ratsvorsitzende, der selbst eine Facebook-Seite betreibt – und dort vor kurzem ein „Bußtagswunder“ erlebt hat.

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München. Vor einer Verwahrlosung der sozialen Medien warnt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. Soziale Netzwerke drohten zu "asozialen Medien" zu werden, erklärte Bedford-Strohm in seiner Predigt am Buß- und Bettag in München: "Nicht mehr Verständigung ist das Ziel, sondern Verurteilung, Verdammung und manchmal richtig gehender Hass", sagte der bayerische Landesbischof laut vorab verbreitetem Redetext.
Menschen in öffentlicher Verantwortung, besonders Politiker, seien "Angriffen ausgesetzt, die nichts mehr mit demokratischem Diskurs zu tun haben", fügte Bedford-Strohm hinzu: "Man will anscheinend nichts mehr voneinander lernen, oder sich zuhören und austauschen, sondern es geht darum, sich zu bekämpfen, manchmal sogar ums Vernichten."
Wenn Menschen in der Politik einen Fehler machten, "dürfen sie auf keine Gnade hoffen. Sie müssen mit Häme, Spott oder sogar mit Verachtung rechnen. Umso schwerer fällt es, Fehler zuzugeben. Wollen wir diese Gnadenlosigkeit im Umgang miteinander?", fragte der evangelische Sozialethiker.

Gift in der Gemeinschaft

Droh- und Urteilssprüche, die Menschen anderen entgegenschleudern, hätten ein Ausmaß bekommen wie noch nie. Es habe schon immer Menschen gegeben, die anderen die Hölle an den Hals gewünscht haben, sagte Bedford-Strohm. Doch heute würden solche Sprüche massenhaft wie ein Virus verbreitet. "Sie verbreiten sich wie Gift in einer Gemeinschaft, die wir ‚Soziale Medien‘ nennen, weil sie eigentlich dazu gedacht waren, Menschen in Kommunikation miteinander zu bringen." Was sich gegenwärtig auf vielen Internetseiten abspiele, habe damit aber nichts mehr zu tun.
Auch Menschen könnten sich verändern. Es habe ihn „wirklich berührt“, so der Landesbischof, dass ein paar Tage nach einem wüsten Kommentar auf seiner Facebook-Seite der Autor des Kommentars sich per Mail bei ihm entschuldigt habe. Diesen Mailwechsel habe er als ein „Bußtagswunder“ erlebt. Die Entschuldigung des Schreibers habe ihn selbst „zur Buße gebracht“, bekannte der Ratsvorsitzende der EKD. „Ich hatte nicht mit einer solchen Geste gerechnet. Ich hatte einem wüsten Facebook-Kommentator diese Veränderung nicht zugetraut. Weil ich nur die Haltung und nicht den Menschen gesehen habe. Weil ich Gott nicht zugetraut hatte, dass er uns zwei Menschen noch zusammenbringen kann. Weil ich selber mit innerer Abschottung reagiert habe. Weil ich die Kraft seiner Güte unterschätzt habe.“ (epd/EZ)