Einsamkeit: Wie eine Seniorin aus Niedersachsen dagegen kämpft

Die Fastenaktion „7 Wochen ohne Alleingänge“ will Menschen zusammenbringen. Das ist dringend nötig. Denn das Gefühl von Einsamkeit betrifft immer mehr Menschen, auch gut vernetzte.

Die Menschen werden älter und damit auch einsamer (Symbolbild)
Die Menschen werden älter und damit auch einsamer (Symbolbild)epd-Bild / Jens Schulze

Wer Ilse Kaune-Warneboldt im Kreise ihrer drei Kinder und 17 Enkel sieht, der wird kaum auf den Gedanken kommen, dass sie einsam sein könnte. „Ich habe so viele liebe Menschen um mich herum, aber ich fühle mich trotzdem manchmal ziemlich allein“, sagt die 90-Jährige, die in Garmissen bei Hildesheim wohnt. Zwar sei die Familie hilfsbereit, und alle würden sie in den Arm nehmen und so ihre Zuneigung zeigen. Aber einsam fühle sie sich trotzdem manchmal, sagt die Witwe. Besonders am Wochenende plage sie dieses Gefühl. „Da haben alle was vor, und ich muss sehen, was ich mache.“

„Ich brauche Begegnung und Nähe“

Zu Hause sitzen und die Hände in den Schoß legen, das kommt für die rüstige Frau allerdings nicht infrage. „Wenn mir die Decke auf den Kopf fällt, setze ich mich in mein Auto, fahre in ein Café und hoffe, dort jemanden zu treffen.“ Oder sie gehe walken und hoffe auf einen Klönschnack mit Nachbarn. „Ich brauche Begegnungen und Nähe“, sagt die ehemalige Grundschullehrerin. Kinder und Verwandte würden zwar auch in der Nachbarschaft wohnen, sagt die gut vernetzte Frau, die in der Woche viel telefoniert. „Aber die haben einen riesigen Freundeskreis. Und ich möchte ihnen nicht zur Last fallen.“

Wie Kaune-Warneboldt geht es einer steigenden Zahl von Menschen. Nicht nur ältere und ärmere Menschen seien betroffen, sondern selbst junge und aktive Leute könne das Gefühl von Einsamkeit plagen, sagt Pastorin Anja Christians-Albrecht, die in der hannoverschen Landeskirche Beauftragte für Altenseelsorge ist. „Man kann von 100 Leuten umgeben sein und trotzdem einsam sein.“

Betroffene stecken in einem Teufelskreis

Hinter dem Gefühl stehe eine Diskrepanz von gewünschter und tatsächlicher Beziehung. „Betroffene haben das Gefühl, von anderen nicht gesehen oder gebraucht zu werden“, so die Seelsorgerin weiter. „Sie fühlen sich unwichtig.“ Das Gefühl, Bedeutung zu haben, brauche jedoch jeder Mensch.

Corona und der daraus folgende Rückzug vieler Menschen habe das gesellschaftliche Phänomen noch verstärkt, sagt die Pastorin. „Es ist ein Teufelskreis. Wer sich zurückzieht, der verlernt, Kontakt aufzubauen. Und wer denkt, dass andere nichts von ihm wissen wollen, der zieht sich noch weiter zurück.“

Bedenklich sei zudem, dass Einsamkeit und Isolation schwere gesundheitliche Folgen haben. „Viele meiner Kollegen waren erschüttert, als sie wieder in die Altenheime gehen konnten und sahen, wie stark die Menschen abgebaut haben.“

„Kirche muss ihren Blick für einsame Menschen schärfen“

Kirche müsse ihren Blick für das Problem schärfen, sagt die Pastorin. „Gemeinden können zur Begegnung ermutigen.“ Die Fastenaktion „7 Wochen ohne Alleingänge“ sei dazu ein guter Beitrag. Schließlich seien alle Christinnen und Christen gefordert, mit offenen Augen in der Nachbarschaft unterwegs zu sein und auf Menschen zuzugehen. Denn für Betroffene sei es oft schwer, sich Unterstützung zu suchen.

Auch Ilse Kaune-Warneboldt wünscht sich mehr Aufmerksamkeit für Einsame. „Es tut so gut, in den Arm genommen zu werden.“