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“Ein großer Liberaler, ein Anwalt von Freiheit und Menschenwürde”

Anwalt der Menschenrechte, Verteidiger der Demokratie und Stimme der Freiheit: Politikerinnen und Politiker haben parteiübergreifend den verstorbenen früheren Bundesinnenminister und FDP-Politiker Gerhart Baum gewürdigt. „Mit Gerhart Baum verlieren wir einen Menschen, der über lange Jahre den Diskurs in unserem Land geprägt hat“, erklärte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. „Einen Menschen, der aus eigener Lebenserfahrung die Schrecken von Diktatur und Krieg kannte und der daraus seine schier nie nachlassende Kraft schöpfte, für Demokratie, Freiheit, Bürger- und Menschenrechte zu kämpfen – in Deutschland und weltweit.“ Baum starb nach Angaben der NRW-FDP von Samstag im Alter von 92 Jahren.

Baum galt als wichtiger Vertreter der sozial-liberalen Strömung innerhalb der FDP. Bis zuletzt mischte er sich in politische Debatten ein. Wiederholt warnte er etwa vor dem Aufstieg der AfD, die er als Gefahr für die Demokratie wahrnahm, und rief zum Schutz des Grundgesetzes auf.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, würdigte ihn als einen leidenschaftlichen Demokraten, „der wirklich zuhören konnte und in seinem interessierten Nachfragen immer neugierig auf die Meinung und Argumente Anderer war“.

Baum wurde 1932 in Dresden geboren. Er habe eine „behütete, großbürgerliche Kindheit“ gehabt, hatte er 2023 im Podcast „Alles gesagt?“ der Wochenzeitung „Die Zeit“ berichtet. „Wir lebten in Verhältnissen, die auf das Kriegsende gerichtet waren.“ Am Vorabend des Angriffs der alliierten Streitkräfte auf Dresden im Februar 1945 habe er noch seine Schulsachen und ein Faschingskostüm zurechtgelegt. „Diese Zäsur ist das Wichtige in meinem Leben“, betonte er. „Die brennende Stadt hat sich bei mir eingebrannt.“ Zunächst floh Baum mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Bayern.

Im Jahr 1950 zog er nach Köln, wo er auch Jura studierte. „Jurastudium war stocklangweilig, die Referendarzeit war interessant – das Zusammentreffen mit Menschen, mit Fällen, mir Wirklichkeit“, sagte Baum im Podcast. Seit 1954 war er Mitglied der FDP, für die er von 1972 bis 1994 im Bundestag saß. Im Kabinett von Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) war er von 1978 bis zum Bruch der sozial-liberalen Koalition 1982 Bundesinnenminister.

Nach seiner Zeit als Bundespolitiker war Baum in der Menschenrechtsarbeit und wieder als Rechtsanwalt aktiv. Er vertrat unter anderem Opfer des Ramstein-Unglücks, sowjetische Zwangsarbeiter und Betroffene der Loveparade-Katastrophe in Duisburg. Für seinen Einsatz für Bürger- und Menschenrechte erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Große Verdienstkreuz oder den Verdienstorden des Landes NRW. Baum war Vater von drei Kindern aus erster Ehe und lebte mit seiner zweiten Frau Renate Liesmann-Baum in Köln.

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) bezeichnete den Juristen als „Deutschlands Stimme für die Menschenwürde in der Welt“. „Mit Gerhart Baum geht ein großer Liberaler, ein Anwalt von Freiheit und Menschenwürde, dessen Engagement nicht an Deutschlands oder Europas Grenzen haltmachte“, sagte sie. Er sei für viele Menschen „ein Seismograph des Rechts und der Ethik, ein Lotse für gesellschaftliche Veränderungen“ gewesen. Die Stadt Köln kündigte an, ab Montag im Rathaus ein Kondolenzbuch für Gerhart Baum auszulegen.

Die Intendantin des Westdeutschen Rundfunks (WDR), Katrin Vernau, nannte Baum einen „unermüdlichen Kämpfer für die Staatsferne und Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Der Jurist war seit Dezember 2016 stellvertretendes Mitglied des WDR-Rundfunkrats.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) würdigte Baum als „großen Liberalen und engagierten Demokraten“. Er war laut NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) „ein wacher Geist, ein scharfer Analytiker und ein umtriebiger Anwalt der Menschenrechte und des Liberalismus“. FDP-Chef Christian Lindner erklärte, mit dem Tod von Baum hätten das Land und die Freien Demokraten „eine der kräftigsten Stimmen für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie verloren“.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte, Baum werde als „leidenschaftlicher Verteidiger unserer Demokratie in Erinnerung bleiben“. Auch der Linken-Politiker Gregor Gysi würdigte den früheren Bundesinnenminister: „Mit Gerhart Baum ist ein aufrechter Liberaldemokrat gestorben“, erklärte Gysi.