Drei Jahre nach der Flut: Was das Ahrtal kritisiert

Jahrestag der Flut-Katastrophe im Ahrtal: Drei Jahre nach dem tödlichen Sommer-Hochwasser wird bis heute um den Wiederaufbau gerungen. Was die Gemeinden kritisieren.

Die Flut im Ahrtal hat große Schäden hinterlassen
Die Flut im Ahrtal hat große Schäden hinterlassenImago / Reiner Zensen

Es war eine der größten Tragödien der vergangenen Jahrzehnte in Deutschland: das tödliche Hochwasser im beschaulichen Ahrtal. Bis heute prägt die Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 die Weinbau-Region im Norden von Rheinland-Pfalz. Die Menschen müssen den Neustart in ihren Orten managen. Sie suchen nach Antworten auf die Frage, wie ihre Heimat zukunftssicher gestaltet werden kann. Damit verbunden ist die Idee, dass das Ahrtal zu einem Vorbild für Wiederaufbau wird.

Der Bürgermeister von Bad Neuenahr-Ahrweiler, Guido Orthen, kritisiert bei einer Veranstaltung, zu viel Bürokratie und komplizierte gesetzliche Vorschriften behinderten den Wiederaufbau. “Wenn man sich die Förder-Verwaltungsvorschrift anschaut, befasst sich 25 Prozent des Textes mit den eigentlichen Förderleistungen, aber 75 Prozent mit Kontrolle und Verfahren.”

Ahrtal: Förderung in der Kritik

Grundsätzlich wird aus Sicht des CDU-Lokalpolitikers zu oft so aufgebaut, wie es vor dem Hochwasser gewesen ist. Als Beispiel nennt er begrünte Hausdächer, um das Regenwasser besser in der Fläche zu halten. “Wenn es vorher kein Gründach gab, wird auch künftig kein Gründach gefördert.” Gleiches gelte für Bäume an Straßen, die wieder neu gebaut werden. “Geht nicht, wenn die Bäume vorher nicht da waren”, schildert Orthen.

“Wir brauchen mehr Experimente und die Bereitschaft, das zu bezahlen”, sagt der Projektkoordinator des Forschungsverbunds Klima-Anpassung, Hochwasser, Resilienz (Kahr), Jörn Birkmann von der Universität Stuttgart. Der Kahr-Verbund wird vom Bundesforschungsministerium finanziert, um den Wiederaufbau im Ahrtal wissenschaftlich zu begleiten. Der Einladung sind am Mittwochabend gut 100 Experten und Akteuren gefolgt, die über den Stand und Perspektiven des Wiederaufbaus diskutieren.

Birkmann setzt auf finanzielle Anreize. “Zum Beispiel ein Feuerwehrgebäude auf Stelzen oder auch ganze Quartiere wie Klinik-, Schul-Standorte vom Wasser weg zu verlagern und innovativ neu aufzubauen – das müsste finanziell stärker gefördert werden”, sagt der Wissenschaftler gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Zusätzliches Geld sollte für die besten Lösungen reserviert werden. Dafür sollte ein Extratopf geschaffen werden in Höhe von zehn Prozent der staatlichen Wiederaufbauförderung, um Modellprojekte zu finanzieren.

Bürgermeister Orthen begrüßt die wissenschaftliche Expertise und ihre Empfehlungen. Sie helfen bei der Beantragung von Wiederaufbauhilfen, jedoch nicht immer. Sein Appell an den Bund: alle Gesetze katastrophenfolgensicher ausgestalten. “Ich wünsche keiner Region so viel Mühsal und Bürokratie, wie wir sie gerade versuchen zu überwinden.”

Eine Spielwiese für Prävention zu Hochwasser?

Das Ahrtal als eine Art Spielwiese für wissenschaftliche Erkenntnis für die Zukunft der Hochwasserprävention sieht Landrätin Cornelia Weigand. Sie spricht stets von der größten Baustelle Deutschlands verbunden mit hochkomplexen Fragen. “Gute Planung braucht Zeit”, betont sie. “Und das ist manchmal schwer zu ertragen.” Und es fehle Geld. Es sei weiterhin sehr zeitaufwendig und kompliziert, an Fördermittel zu kommen. Weigands Forderung: “Einfache Arbeitsabläufe, verschlankte Prozesse, weniger Bürokratie.”

Für Privatpersonen sei es insbesondere in der Anfangszeit schwer gewesen, an anderer Stelle ihre Immobilien neu zu errichten. “Ein Ersatzneubau an anderer Stelle ist unter bestimmten Bedingungen möglich gewesen”, sagt die parteilose Landrätin Cornelia Weigand gegenüber Journalisten. Sie wünscht sich für die Einzelfälle betroffener Menschen mehr Flexibilität. “Es wird im Moment mit den planerischen Rahmenbedingungen schwierig.” Sie betont, dass sich das gemeinsame Ringen um Lösungen lohnen könne und verwies auf positive Beispiele. Doch Neubaugebiete zu finden, sei nicht einfach.

Am Ende bleibt der Wunsch nach Mut zu unkonventionellem Handeln und die Erwartung, dass auch in Zukunft mit Unwetterkatastrophen gerechnet werden muss. “Wir werden keinen absoluten Hochwasserschutz sicherstellen können”, sagt der Infrastrukturforscher Lothar Kirschbauer von der Hochschule Koblenz. “Wir werden immer ein gewisses Risiko haben.”