Drastische Wohnungsnot mit Fördermitteln bekämpfen

Seit Jahren wird nach Lösungen für den Mangel an bezahlbarem Wohnraum gesucht. Verbände fordern 50 Milliarden Euro für einen Durchbruch beim Sozialwohnungsbau.

Anschlag zur Wohnungssuche an einem Laternenmast in Berlin-Prenzlauer Berg
Anschlag zur Wohnungssuche an einem Laternenmast in Berlin-Prenzlauer BergImago / Seelinger

Das Verbändebündnis „Soziales Wohnen“ rechnet für dieses Jahr wegen des Zustroms von Flüchtlingen aus der Ukraine und hoher Baupreise mit einem neuen Rekord beim Wohnungsmangel. Mit mehr als 700.000 fehlenden Wohnungen ist nach einer am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Studie das höchste Wohnungsdefizit seit mehr als 20 Jahren zu erwarten.

Einer Studie des Eigentümerverbands Haus & Grund zufolge wurden Mieten in Deutschland zwischen 2015 und 2020 trotz Wohnungsmangels für Lohnempfänger bezahlbarer. Die Löhne seien in diesem Zeitraum im Durchschnitt um 11,3 Prozent gestiegen, Bestands- und Neuvertragsmieten lediglich um 6 und 6,6 Prozent, erklärte der Verband am Donnerstag in Berlin.

Das Bündnis „Soziales Wohnen“, dem der Deutsche Mieterbund, Verbände des Bauwesens und die IG Bauen-Agrar-Umwelt angehören, rief die Politik auf, ein Sondervermögen „Soziales Wohnen“ von 50 Milliarden Euro aufzulegen. Der Bund müsse davon mit zwei Dritteln den Hauptanteil übernehmen, den Rest die Länder, die für die Umsetzung zuständig sind.

Notstand bei Sozial- und Mietwohnungen

Bei Sozialwohnungen und bezahlbaren Mietwohnungen sei der Notstand am größten. Im vergangenen Jahr seien statt der von der Ampel-Koalition angekündigten 100.000 Sozialwohnungen nur 20.000 fertiggestellt worden, kritisierte das Bündnis.

Der Verband Haus & Grund mahnte in seiner Studie „Bezahlbarkeit von Mieten“ eine stärkere Förderung von Sanierungen und eine Aussetzung der CO2-Bepreisung beim Heizen an. Der Verband sprach sich überdies gegen eine Verlängerung der Mietpreisbremse aus.

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbauministerium, Cansel Kiziltepe (SPD), sagte, angesichts der schwierigen Lage sei die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum eine Priorität der Bundesregierung. Diese habe eine Rekordsumme von 14,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau mobilisiert und fördere Wohneigentum. „Wir setzen uns außerdem für eine zügige Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen im Mietrecht ein“, fügte sie hinzu. Der Ball liege nun beim Bundesjustizministerium.

Nationale Kraftanstrengung

Der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther, und der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, betonten, auch ohne die hohe Zuwanderung von 2022 sei auf mittlere Sicht der Bau von 400.000 Wohnungen pro Jahr dringend erforderlich. Zudem würden wegen des Fachkräftemangels bis zu 500.000 Zuwanderer jährlich benötigt. „Es wird keiner kommen, wenn er nicht wohnen kann“, sagte Siebenkotten. Damit die Privatwirtschaft sowie kommunale oder kirchliche Träger trotz hoher Baukosten in neue, bezahlbare Wohnungen investierten, bedürfe es einer „nationalen Kraftanstrengung“ in Form eines Sondervermögens.

Nach Berechnungen des Kieler Bauforschungsinstituts stiegen die Baupreise zuletzt doppelt so stark wie die Inflationsrate, die Ende vergangenen Jahres um die zehn Prozent betrug. In den Städten koste die Erstellung von einem Quadratmeter Wohnraum im Durchschnitt 4.900 Euro. Damit bezahlbarer Wohnraum entstehe, müsse der Staat den Bau mit 2.100 Euro pro Quadratmeter subventionieren. Andernfalls lägen die Mieten demnach deutlich über 20 Euro pro Quadratmeter.