„Außer Dienst“: ARD zeigt Doku über Altkanzler Schröder

Die ARD-Doku „Außer Dienst? – Die Gerhard Schröder Story“ zum 80. Geburtstag des Altkanzlers ist Meinungsbildungsfernsehen par excellence. Von der Anspannung träumen viele Krimis.

Für die ARD-Doku "Außer Dienst" ließ sich Gerhard Schröder ein halbes Jahr begleiten
Für die ARD-Doku "Außer Dienst" ließ sich Gerhard Schröder ein halbes Jahr begleitenNDR / Sven Wettengel

Kommt ein schwarzer Transporter angefahren. Heraus steigen Gerhard Schröder und seine Frau So-yeon Schröder-Kim, um sich auf einem einsamen Golfplatz filmen zu lassen. So beginnt „Außer Dienst? Die Gerhard Schröder Story“. Die 60-minütige NDR-Produktion steht bereits in der Mediathek zum Abruf. Linear zeigt die ARD sie am Montag, 8. April, um 21 Uhr – am Tag nach Schröders 80. Geburtstag. Aus diesem Anlass ließ der Altkanzler sich darauf ein, außer von Fahrer und Personenschutz (den trotz allem weiter das BKA stellt), ein halbes Jahr lang auch von einem Filmteam begleitet zu werden.

Schon beim Golfen strahlt Schröder telegen, zeigt sich zwar zerfurcht im Gesicht, aber bestens in Form und gekleidet. Angst, Arroganz auszustrahlen, zeigt er ebenso wenig wie ein Bemühen, Sympathiepunkte wiederzugewinnen. Um seine Lebensgeschichte, den Aufstieg aus „ärmsten Verhältnissen“ und seine „filmreife Karriere“ bis ins Bundeskanzleramt, geht es nur kurz zwischendurch. Auch seine Entscheidungen als Kanzler, etwa die Agenda 2010 und die Nicht-Teilnahme Deutschlands am US-Irak-Krieg, werden allenfalls gestreift.

Wie Schröder zur Unperson wird

Es geht vor allem um die permanente Anspannung, die Schröder seit dem Ende seiner Kanzlerschaft 2005 umgibt. Schon vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine galt er als „russlandtreuer Gas-Lobbyist“ und „von Putin bezahlter Lobbyist“. Mit Kriegsbeginn wurde er zu einer Art Unperson. An seinen Ansichten und der Freundschaft mit Russlands Präsident Putin hält er dennoch fest.

Auch beim Golfspielen begleitet die Doku Altkanzler Schröder
Auch beim Golfspielen begleitet die Doku Altkanzler SchröderNDR / Lucas Stratmann

Filmisch aufbereitet ist all das ohne Schnickschnack, der sonst für süffiges Ansehen im Programmfluss gern eingesetzt wird. Gefilmt wird an Flughäfen, am Rande von Veranstaltungen und in Hotelzimmern. „Seine Frau filmt mit, wie immer während unserer Gespräche“, erwähnt der angenehm sparsame Kommentar aus dem Off. Tatsächlich gerät die per Smartphone filmende Schröder-Kim auch mal ins Bild. Das zeugt von Anspannung auf beiden Seiten.

Parteifreunde meiden Schröder

Beim Festakt am Tag der Deutschen Einheit bemühen sich alle aktuell wichtigen Akteure erfolgreich, nicht mit Schröder gesehen zu werden. Damit müssen die fertig werden, „ich doch nicht“, sagt Schröder immer wieder auf Fragen, ob ihn die Ablehnung durch die einstigen Parteifreunde wurmt. Dass ihn der Versuch, damit fertig zu werden, sehr wohl viel Kraft kostet, kann man vielleicht in seinen Augen lesen. Schröder beteuert ähnlich oft, dass ihn etwas nicht anfechte, wie er betont, sich nicht zu Themen äußern zu wollen, um sogleich doch etwas Provokantes dazu fallen zu lassen.

Zu seinen vergeblichen Friedensbemühungen in Moskau sagt er etwa, dass eigentlich die amtierenden Regierungschefs Macron und Scholz eine Lösung hätten suchen müssen, das aber nicht „konnten, wollten oder durften“. Der aktuellen Außenministerin wirft er „eher unterentwickelte“ Professionalität vor. Seine Partei solle sich fragen, warum sie in Umfragen hinter der AfD stehe. Wie immer man zu Schröder steht, das sitzt.

Hannovers Marktkirche lehnt Schröders Geschenk ab

Der Film endet in der gut gefüllten evangelischen Marktkirche in Hannover, deren Gemeinde das von Schröder gestiftete und von seinem Freund Markus Lüpertz gefertigte Fenster nicht geschenkt haben will, sondern die Spendensumme in die Ukraine schickt. Auch Lüpertz selbst ergreift das Wort und findet diese Auseinandersetzungen „großartig mittelalterlich und kirchengerecht“. Diese Szenen in der gut gefüllten Kirche zeigen nochmals das Spannungsverhältnis, das Schröder zumindest überall in Deutschland umgibt – und das er bei jeder Gelegenheit schürt. Wenn er auf die Frage, ob er „Freude am Frotzeln“, am Sticheln und Polarisieren empfindet, gewunden zustimmt („Wenn man sich gelegentlich außerhalb des Mainstreams bewegt, und das habe ich, glaube ich, sehr häufig getan …“), kann man als Zuschauer fast etwas Erleichterung empfinden. Endlich herrscht mal etwas Konsens.

Kurzum: „Außer Dienst?“ macht das Zuschauen nicht leicht, weil unter der gediegenen, von den Schröders bestimmten Oberfläche, Anspannung in einem Ausmaß deutlich wird, von dem die meisten Fernsehkrimis nur träumen können.

Außer Dienst? – Die Gerhard Schröder Story“ läuft am Montag, 8. April, um 21 Uhr in der ARD. In der ARD-Mediathek ist sie schon zu sehen.