Die Brückenbauer

Seit fünf Jahren bietet das Nachrichtenportal Amal Informationen für die arabische, iranische und afghanische Community. Zuletzt stiegen die Zugriffszahlen rasant – aus traurigem Grund. Ein Redaktionsbesuch.

Das Team von Amal, Berlin geht auf Sendung
Das Team von Amal, Berlin geht auf SendungChristian Ditsch / epd

Berlin / Hamburg. Mitte August, als die Taliban in Kabul einmarschierten, erhöhten sich die Zugriffszahlen auf amalberlin.de und amalhamburg.de sprunghaft – in einer Woche um 2.220 Prozent. „Die Menschen suchten verzweifelt nach Nachrichten und Informationen, wie sie nach Deutschland kommen können“, sagt Amal-Projektleiterin Julia Gerlach.

Sie berichtet zudem von Tausenden Hilferufen aus Afghanistan, die das Nachrichtenportal erreichen. Seit Wochen versuche das insgesamt 14-köpfige Redaktionsteam neben dem täglichen Nachrichtengeschäft, E-Mails zu beantworten und die Hilfegesuche an das Auswärtige Amt weiterzuleiten. „Viele berichten uns dann, dass wir oft die einzigen sind, die überhaupt zurückschreiben“, erzählt Gerlach und spricht von einer „unglaublichen Belastung“ für die Redaktion.

Familie sitzt in Kabul fest

Für Dawod Adil kommen noch ganz persönliche Sorgen dazu. Die ganze Familie des Videojournalisten bei Amal, Berlin sitzt in Kabul fest, und niemand weiß, ob sie es auf die Evakuierungsliste des Auswärtigen Amtes geschafft haben.

Der 32-Jährige ist vor sechs Jahren nach Deutschland geflüchtet. Zuvor hatte der studierte Regisseur und Journalist einen Film über ein Taliban-Massaker an 90 Zivilisten in einem afghanischen Dorf gedreht und war deshalb auf der Todesliste der Islamisten gelandet. Zu Amal, Berlin ist er vor drei Jahren über ein Praktikum gekommen und heute für Videos der Farsi/Dari-Redaktion zuständig.

Wer die Zielgruppe ist

Seit 2016 bietet das Newsportal aktuelle Informationen aus und über Berlin und Deutschland auf Arabisch, Persisch und Dari, einer der beiden Amtssprachen Afghanistans. 2019 kam das Schwesterportal „amalhamburg.de“ dazu. In der Hansestadt befinden sich mit die größten afghanischen und iranischen Communities außerhalb der Länder.

Die zehn in Berlin und vier in Hamburg festangestellten Exil-Journalistinnen und Journalisten berichten in ihren Heimatsprachen und auf Deutsch über alles, was in Politik, Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft in beiden Städten und bundesweit wichtig ist. Ihre Zielgruppe sind Menschen aus Ländern wie Syrien, Irak, Iran und Afghanistan, die nach Deutschland geflüchtet sind.

Idee kam am Küchentisch

Entstanden ist Amal vor sechs Jahren buchstäblich am Küchentisch, sagt Gerlach. Die Journalistin hat selbst lange als Korrespondentin für deutsche Medien aus Kairo über die arabische Welt berichtet. 2015 entwickelte sie gemeinsam mit ihrer Schwester die Idee eines Nachrichtenportals, das Flüchtlingen Informationen in ihren Muttersprachen über das Geschehen in Berlin und Deutschland bietet. 2016 ging „amalberlin.de“ dann als Projekt der Evangelischen Journalistenschule (EJS) an den Start.

Fünf Jahre später haben Amal, Berlin und Amal, Hamburg bereits 142.000 Abonnenten auf Facebook, Instagram und Youtube. Reporterinnen wie die aus Syrien stammende Amloud Alamir berichten beispielsweise über den weltweit ersten Prozess wegen Staatsfolter in Syrien am Oberlandesgericht Koblenz oder über hiesige Kopftuch-Debatten. Die 40-jährige TV-Moderatorin sieht Amal als Brücke zwischen der syrischen Community und der deutschen Gesellschaft. „Diese brauchen wir auch“, sagt Alamir.

Bundesadlerin im Kurzvideo

Aktuell geht es in der Berichterstattung natürlich viel um Afghanistan, aber auch um die Bundestagswahl am Sonntag. Geschätzt 80.000 eingebürgerte Menschen aus arabischen Ländern, Iran und Afghanistan werden erstmals mit wählen können, sagt Projektleiterin Gerlach.

Ihnen versucht Amal unter anderem mit gestreamten Erstwählerforen Orientierung zu bieten. Dazu eingeladen sind jeweils eine Kandidatin oder ein Kandidat aller im Bundestag vertretenen Parteien einschließlich der AfD. In anderen Kurzvideos erklärt eine „Bundesadlerin“ (Arabisch: Sukar Persisch: Shadoune) Wahlsystem, Parteienfinanzierung und „Stimmzettel-Wirrwarr“.

Träger der EJS und damit von Amal ist das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP), zu dem auch die Zentralredaktion des epd gehört. Finanziert wird das Portal bislang von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Hamburger Körber-Stiftung, der Schöpfling-Stiftung, der Stiftung Mercator und anderen Partnern. Ab Januar will unter anderem die Nordkirche mit einsteigen. (epd)