Der Synodale Weg: Zweite Reformation in Deutschland?

Bei der Frühjahrsvollversammlung der katholischen Bischöfe zeigt sich: Die Lage in der katholischen Kirche ist bis zum Zerreißen angespannt. Warum unser Autor dabei an Luther denken muss.

Die katholischen Bischöfe haben sich in Augsburg beraten. Das Ergebnis in Sachen Reform? Weitgehend offen
Die katholischen Bischöfe haben sich in Augsburg beraten. Das Ergebnis in Sachen Reform? Weitgehend offenepd-bild/ Annette Zoepf

Man fühlt sich manchmal fast an den Vorabend der Reformation erinnert. Gerade haben die katholischen Bischöfe in Deutschland ihre Frühjahrsvollversammlung in Augsburg beendet. Die Atmosphäre dort scheint zwischen Resignation und kämpferischem Trotz zu schwanken.

Beobachterinnen und Beobachter raunen: Die katholische Kirche steht vor der Spaltung. Man mag das für übertrieben halten. Aber das Flüstern wird lauter, das Brodeln unter der Oberfläche immer heftiger. Das alles zeigt, wie sehr das Verhältnis zwischen dem fernen, aber mächtigen Vatikan und der katholischen Kirche vor Ort, also hier in Deutschland, bis kurz vor dem Zerreißen angespannt ist. Man spürt: Irgendetwas muss in den nächsten Wochen und Monaten passieren.

Die katholische Kirche muss sich ändern

Der Vatikan stößt mittlerweile unverhohlen Drohungen gegen die katholischen Reformbestrebung in Deutschland aus. Zuletzt haben drei hohe Kurienkardinäle unverblümt in die Frühjahrstagung eingegriffen: Sie setzten durch, dass eine geplante Abstimmung zum Synodalen Weg (das ist die offizielle Bezeichnung für die Reformbestrebungen) von der Tagesordnung genommen werden musste. Die Reformbewegung dagegen, darunter längst nicht mehr nur die Laien, sondern die meisten der Bischöfe, wird nicht müde zu betonen: Die katholische Kirche kann nicht bleiben, wie sie ist; sie muss sich ändern.

Die Punkte, an denen sich der Synodale Weg reibt und die er ändern möchte, sind vielfältig: Macht- und Gewaltenteilung in der katholischen Kirche. Mehr Einfluss und Mitwirkung für Laien. Die Stellung von Frauen. Sexualmoral.

Vatikan erscheint nicht ganz einig

Der Vatikan erscheint in manchen dieser Punkte selbst nicht ganz einig. So hatte zum Beispiel der Papst erst kürzlich den Weg für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare frei gemacht; eine unerwartete Wendung des Oberhauptes der katholischen Kirche, die von vielen Mächtigen im Vatikan strikt abgelehnt wird. Und schon dieser – aus Sicht der Reformbewegung längst überfällige – Schritt zeigt das Dilemma: Den Vertreterinnen und Vertretern des Synodalen Wegs geht die Änderung nicht weit genug. Im Vatikan gilt sie als Revolution und sorgt für entsprechenden Zoff.

Insgesamt aber ist die Lage klar: Der Synodale Weg im Ganzen ist dem Vatikan ein Dorn im Auge. Auch dem Papst. Aus Sicht der Kurienkardinäle werden hier Dinge in Frage gestellt, die das Fundament der katholischen Kirche bilden.

In dieser Situation ist kaum vorstellbar, wie der Synodale Weg noch halbwegs einvernehmlich gelingen kann. Die Lage gleicht einer Zwickmühle: Die Reformbewegung ist fest davon überzeugt, dass sich die katholische Kirche ändern muss. Die Kirchenoberen aber sagen: Nein, auf gar keinen Fall, dann wären wir nicht mehr katholische Kirche.

Reform: Auch ein Thema für die evangelische Kirche

So eine Lage gab es schon einmal. Nämlich vor gut 500 Jahren. Damals hatten sich Martin Luther und Co. ebenfalls aus tiefen Gewissensbissen heraus um die Reform der Kirche bemüht, sich daran abgekämpft. Um am Ende einzusehen: So funktioniert das nicht. Am Ende stand die Kirchenspaltung: Katholische und evangelische Kirchen gingen von da an getrennte Weg.

Wohin führt der Synodale Weg? Die nächsten Monate dürften extrem spannend werden.

Und noch ein Gedanke zum Schluss: Ausgangspunkt für den Synodalen Weg war 2019 die MHG-Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“. Mittlerweile hat auch die evangelische Kirche ihre Forum-Studie zu diesem Thema, mit mindestens genauso bedrückenden und wachrüttelnden Ergebnissen. Die Kirche kann nicht bleiben wie sie ist – an diesem Motto des Synodalen Wegs wird sich wohl auch die evangelische Kirche demnächst messen lassen müssen.