Der religiöse Hintergrund im Werk von Caspar David Friedrich

2024 jährt sich die Geburt von Caspar David Friedrich zum 250. Mal. Viele wissen, dass er ein Landschaftsmaler war. Was hat sein Werk mit Walt Disney oder einem jugoslawischen Untergrundboss zu tun?

Das Gemälde „Die Lebensstufen“ zählt zum Spätwerk Caspar David Friedrichs. Vermutlich porträtierte er in dem alten Mann im Pelzmantel sich selbst, bereits am Rand des Lebens stehend
Das Gemälde „Die Lebensstufen“ zählt zum Spätwerk Caspar David Friedrichs. Vermutlich porträtierte er in dem alten Mann im Pelzmantel sich selbst, bereits am Rand des Lebens stehendwikipedia.de

Über den Bildern des Caspar David Friedrich liegt meist eine zarte Melancholie. Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe hat seine Arbeiten deshalb nicht gemocht. Das hält Friedrich nicht davon ab, ein Leben lang um die Gunst Goethes zu buhlen. Vergeblich. Dabei sind seine Bilder wie die „Kreidefelsen auf Rügen“, der „Wanderer über dem Nebelmeer“, „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ heute weltberühmt und Millionen Euro wert.

Wer ist dieser Künstler? Zunächst mal ein frommer Mensch, der an die Auferstehung glaubt und in einer christlichen Heilserwartung lebt. Damit ist er ein Kind seiner Zeit. Geboren wird Caspar David Friedrich am 5. September 1774 in Greifswald, das damals zu Schwedisch-Pommern gehört. Er wächst mit neun Geschwistern in der Familie des Seifensieders und Kerzengießers Adolph Gottlieb Friedrich und dessen Frau Sophie Dorothea auf. Der Vater erzieht puritanisch streng, in protestantischem Glauben mit pietistischem Einfluss.

Durch und durch christlich geprägt

Das prägt den Künstler stark. Ohne diesen religiösen Hintergrund ist Friedrichs Werk kaum zu verstehen. Die Darstellung der Natur in seiner Arbeit sieht er „als beständigen Gottesdienst, sah Gott in allem, selbst im Sandkorn“, schreibt der Dichter Karl August Förster, ein Zeitgenosse Friedrichs. Der Kunsthistoriker Helmut Börsch-Supan, Jahrgang 1933, erkennt bei Friedrich durchgängig christliche Symbole: absterbende Bäume oder Pappeln stehen für den Tod, Fichten gelten ihm als Hoffnung auf ein ewiges Leben, Brücken als Übergang in die jenseitige Welt. Der Fels ist ein Sinnbild des Glaubens, Eichen verkörpern eine heidnische Auffassung.

Was er nicht ist? Ein Naturmaler! In seinen Bildern löst er die Körper, Dinge und Erscheinungen der Natur aus ihren natürlichen Zusammenhängen heraus und führt sie in Variationen zu immer neuen Bildkompositionen zusammen. Landschaften unterschiedlicher Topografien fügt er oft in einem Bild zusammen, so erscheinen Gebirgszüge im Hintergrund norddeutscher Landschaften.

Seine Kunst zu verkaufen, fällt Caspar David Friedrich schwer

Der Kunsthistoriker und Bestsellerautor Florian Illies schreibt in seinem neu erschienenen Buch über den Künstler von dem großen Irrtum, Friedrich für einen Maler zu halten, der naturgetreu deutsche Landschaften entstehen ließ. Er habe Hunderte von naturgetreuen Zeichnungen gemacht, jede Spalte in einem Stein erfasst, jedes Blatt an einem Baum. Aus diesem Schatz habe er dann aber abstrakte Collagen gebaut. „Der feinmalerischste Künstler der deutschen Romantik ist also eigentlich ein Konzeptkünstler, auf jeden Fall kein Naturalist“, schreibt Illies.

Wie aus dem Jenseits steigt in der „Winterlandschaft mit Kirche“ eine Kathedrale aus dem Nebel
Wie aus dem Jenseits steigt in der „Winterlandschaft mit Kirche“ eine Kathedrale aus dem Nebelwikipedia.de

Er hat großes Talent, doch seine Kunst zu verkaufen, fällt Caspar David Friedrich schwer. Die Familie mit Ehefrau Lene und drei Kindern muss oft hungern. Sein Atelier hat stets offene Türen, er freut sich über Besuch, eben auch, weil er seine Bilder zu Geld machen muss. Es gibt nur eine Ausnahme: „Jetzt malt er gerade die Luft, jetzt darf man ihn nicht stören, denn wissen Sie, Himmelmalen ist für ihn wie Gottesdienst“, erklärt dann seine Frau Besuchern an der Tür.

Auf Augenhöhe mit Albrecht Dürer

Später vereinnahmen ihn die Nazis für ihre Blut- und Boden­ideologie. Ob ihn diese Popularität gefreut hätte, sei dahingestellt. Danach ist es lange still um den untypischen Romantiker. Erst um die Jahrtausendwende wird der Maler populär – auch international. In den vergangenen 30 Jahren steigt Friedrich schließlich zum berühmtesten deutschen Maler nach Albrecht Dürer auf. Wohl also dem, der einen Caspar David Friedrich sein eigen nennen kann. So wie der Mann aus Seligenstadt. Vor rund vier Jahrzehnten ersteht er in einem französischen Antiquitätenladen für ein paar Franc zwei, drei kleine Landschaftsbilder. Eines gefällt seiner Mutter so gut, dass sie sich das Bildchen in die gute Stube hängt.

Viele Jahre später blättert der Sohn in einem Bildband der Dresdner Gemäldegalerie. Plötzlich stutzt er. Eines der Werke sieht genauso aus wie das Landschaftsbildchen, das er seiner Mutter geschenkt hat. „Caspar David Friedrich: Das Große Gehege, 1835“ steht darunter. Er fährt mit Mutters Bild nach Dresden ins Museum. Und siehe da: Das kleine Gehege ist echt. Mit dem Geld, das ihm ein Londoner Kunsthändler dafür zahlt, baut er ein schönes Haus in seiner Heimatstadt. Im Fundament auf einer kleinen Platte eingraviert steht: „DOMUS CASPAR DAVID FRIEDRICH“.

Bilder mit spannenden Geschichten

Oder wie die Diebe, die in der Nacht des 27. Juli 1994 aus der Frankfurter Kunsthalle Schirn drei Bilder stehlen. Zwei davon stammen vom englischen Romantiker William Turner. Das dritte ist das Friedrich-Gemälde „Nebelschwaden“, ein „klassischer Beifang“, schreibt Illies. Versicherungswert der drei Exponate: 62 Millionen Mark. Die Täter sind schnell dingfest gemacht, die Hintermänner aber bleiben im Dunklen. Es soll sich um einen jugoslawischen Unterweltboss handeln. Der will die Beute zu Geld machen und scheitert.

Caspar David Friedrich in seinem Atelier
Caspar David Friedrich in seinem Atelierakg-images

Also bittet er einen Kumpel mit Kfz-Werkstatt gegenüber dem Zoogelände im Frankfurter Ostend, die Kunst hinter Reifenstapeln zu verstecken. Nach Jahren bekommt das Bundeskriminalamt einen Wink, ein sehr guter Frankfurter Anwalt hat seine Finger im Spiel sowie ein Undercoveragent der Londoner Tate Gallery, der die beiden Turner-Bilder gehören. Über viele Wege bekommen die Museumsleute die Turners zurück, das Friedrich-Bild bleibt versteckt. Bis der Kfz-Werkstatt-Kumpel nach Kuba auswandern will. Er bietet nun das dritte Bild besagtem Anwalt an, die Hamburger Kunsthalle als Eigentümerin kann es 2003 wieder in Empfang nehmen und aufhängen.

Florian Illies weiß viele Geschichten zu erzählen über den Künstler und sein Werk. Zum Beispiel die von Walt Disney. Der galante Amerikaner hält sich am 7. Juli 1935 in München auf. Er möchte wissen, wie seine Mickey Mouse-Filme in bayerischen Kinos ankommen. Adolf Hitler ist Fan von Walt Disney-Produktionen, hat sich ein Kino eingerichtet und ist stets einer der ersten europäischen Zuschauer.

Disney kauft 149 Bildbände und illustrierte Bücher – als Anregung für die Zeichner in seiner Traumfabrik. Darin sind auch Werke von Caspar David Friedrich zu sehen. Als Bambi ein paar Jahre später durch Fichtenwälder und über Wiesen stakst, sehe man Friedrichs „Morgennebel im Gebirge“ vor sich, veranschaulicht Illies. Wenn das Rehlein vor den Hunden ins Gebirge fliehe, dann sei es eigentlich auf dem Weg in Friedrichs „Felsenschlucht“. „Und als am Ende der Wald in Flammen steht und das Firmament rot aufleuchtet, ist es ganz und gar ein Friedrich‘scher Himmel“, endet Illies.

Buchhinweis: Florian Illies: „Zauber der Stille – Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten“