Bundestag stimmt über Selbstbestimmungsgesetz ab

Die Parlamentarier entscheiden darüber, ob Trans- und intergeschlechtliche Menschen ihren Geschlechtseintrag einfacher ändern können. Familienbischof Koch begrüßt das Gesetz grundsätzlich, es gibt aber auch Kritik.

Der Bundestag stimmt am heutigen Freitagnachmittag über das Selbstbestimmungsgesetz ab. Es soll das seit 1980 existierende Transsexuellengesetz (TSG) ersetzen. Den Trans- und intergeschlechtlichen Menschen soll laut Entwurf die Änderung von Namen und Geschlechtseintrag erleichtert werden. Bisher waren zwei psychiatrische Gutachten sowie ein Gerichtsbeschluss nötig. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz soll nur noch eine einfache Erklärung bei einem Standesamt notwendig sein. Betroffene sollen außerdem vor einem ungewollten Outing geschützt werden.

Erleichterungen für Menschen, die ihren Geschlechtseintrags ändern wollen, sind auch aus Sicht des katholischen Familienbischofs Heiner Koch sinnvoll. „Ich weiß von Betroffenen, dass sie sich durch die gegenwärtige Regelung durch das Transsexuellengesetz diskriminiert fühlen. Da glaube ich, dass der Staat eine Handlungspflicht hat“, sagte der Berliner Erzbischof, der in der Deutschen Bischofskonferenz die Familien-Kommission leitet, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Freitag vor der Abstimmung.

Für ganz wichtig hält Erzbischof Koch aber eine fachliche Beratung von Kindern und Jugendlichen vor einer Änderung des Eintrags: „Eine intensive Beratung bei einem so gravierenden Lebensthema hilft meines Erachtens, um zu einer begründeten, freien und tragfähigen Entscheidung zu kommen“, so Koch. „Solch eine Beratung schafft auch einen Freiraum für die Betroffenen, und das ist wichtig. Beratung ist ein Gewinn und keine Bedrohung.“

Der Gesetzentwurf sieht ausdrücklich keine Beratungspflicht für Minderjährige vor. Ab dem 14. Geburtstag sollen sie die Erklärung selbst abgeben können, brauchen aber die Zustimmung der Sorgeberechtigten. Im Konfliktfall soll das Familiengericht entscheiden. Bei Jüngeren können nur die Eltern oder andere gesetzliche Vertreter die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen einreichen.

Befürchtungen, dass das geplante Gesetz eine Beliebigkeit bei der Wahl der Geschlechtsidentität forciert, teilt der Erzbischof nicht: „Ich weiß von vielen Betroffenen, dass solch eine Entscheidung, den Geschlechtseintrag ändern zu lassen, keine bloße Stimmungswelle ist. Kein heute so, morgen so. Das ist schon eine überlegte Entscheidung.“

Im ARD-Morgenmagazin (Freitag) kritisierte die CSU-Politikerin Dorothee Bär das geplante Gesetz. Es blende den Kinder- und Jugendschutz aus und öffne „Tür und Tor für Missbrauch“. Auf alle Fälle brauche es eine Beratungspflicht, fügte sie hinzu. Bei einer so weitreichenden Entscheidung müssten Fachleute aufzeigen, was diese für Folgen habe. Dabei dürfe es aber keine entwürdigenden Fragen geben, etwa zu sexuellen Vorlieben.

Unterdessen sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) im Bayrischen Rundfunk, „wir machen nichts anderes, als das im Grundgesetz garantierte Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung endlich zu ermöglichen“. Sie verteidigte das Vorhaben, dass Jugendliche ab 14 Jahren künftig selbst beim Standesamt eine Änderung des Geschlechtseintrags beantragen können. „14 ist die ganz normale Zahl, die wir auch kennen, wo man sich beispielsweise entscheiden kann, welcher Religion man angehört, ob man aus der Kirche aus- oder eintreten möchte“, sagt die Ministerin. „Und deswegen ist das einfach entsprechend der Logik der deutschen Gesetzgebung.“

Auch der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), betonte, für Betroffene bedeute das Gesetz massive Erleichterungen. Die vereinfachte Änderung des Geschlechtseintrags werde „das Leben von transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen spürbar erleichtern und verbessern“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.