Bischof Gohl: Wir müssen die Kirchen öffnen

Der württembergische evangelische Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl wünscht sich mehr geöffnete Kirchen. Bei seinem aktuellen Rom-Besuch sei eine romanische Kirche selbstverständlich offen gewesen, berichtete Gohl am Mittwochabend bei einer Gesprächsrunde im Haus der Architektinnen und Architekten in Stuttgart. „Wir haben in Württemberg immer Angst, dass jemand etwas klaut. Deshalb sind bei uns viele Kirchen zu.“ Gohl kritisierte den „Wahnsinns-Absicherungsmodus“. „Wir müssen die Räume öffnen und das Vertrauen haben.“ Oder es müsse Technik helfen: „In der Kirche in Rom gab es eine Videoüberwachung.“

Auch während Corona sei das Ulmer Münster immer offen geblieben, sagte Gohl, der knapp 17 Jahre lang Dekan in Ulm war. „Wir sind Gastgeber, wollen die Schwellen niedrig halten. Das ist so ein Reichtum, den wir haben, den müssen wir als Kirchen teilen.“ Gohl lobte diesbezüglich das Miteinander beim Johannesforum in Wendlingen am Neckar (Kreis Esslingen). Dort ist die Bruderhaus-Diakonie Partner der Kirchengemeinde und Kommune. „Es gibt Wohnungen für Menschen mit psychischen Erkrankungen, da begegnet man sich total niederschwellig und normal, das strahlt aus in die ganze Stadt.“

Zur Gesprächsrunde zur Frage „Ist Kirche öffentlicher Raum?“ hatten die Evangelischen Akademie Bad Boll, die Architektenkammer Baden-Württemberg und das Institut Fortbildung Bau eingeladen. Der Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg, Markus Müller sagte, viele kirchliche Gebäude seien für wichtige menschliche Bedürfnisse da, mit Diakonie, Caritas, Altenhilfe und Kindergärten. Die Kirche könne etwas bieten, das der Staat nicht bieten könne. „Dafür besteht in der Gesellschaft ein riesengroßer Bedarf.“

Christine Kraayvanger, Baubürgermeisterin von Böblingen, wünscht sich öffentliche Räume „so kommerzfrei wie möglich, für alle nutzbar“. In ihrer Stadt werde ein Andachtsraum sowohl von der Kirchengemeinde als vom Stadtteiltreff genutzt. Mit der Umnutzung von Sakralräumen tue sie sich aber schwer. Das geht auch Bischof Gohl so: „In Edinburgh habe ich ein Lampengeschäft in einer alten Kirche erlebt.“ Die Nutzung solle zur Botschaft des Gebäudes und der Kirche passen. Das müsse von Fall zu Fall entschieden werden: „Im Ulmer Münster wurden eine Nacht lang Hilfsgüter für die Ukraine gelagert.“

„Wir sind durch die Umstände gezwungen, viel vernetzter zu denken“, sagte Gohl. „Aber ich erlebe an der Basis eine große Offenheit.“ Es gebe Nutzungsvereinbarungen und sogar ökumenische Gemeindezentren. Es gebe auch harte Debatten, wenn etwa eine Gruppe ihren Raum künftig mit anderen teilen solle. „Aber wir haben eine Gesamtverantwortung, innerhalb der Kirchengemeinde und in der ganzen Kommune.“ (0803/18.04.2024)