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Außenminister lobt Friedensdenkschrift der Evangelischen Kirche

“Nicht jeder Mensch will umfassenden Frieden” – Für ihren realistischen Blick auf das Weltgeschehen hat Außenminister Wadephul die jüngste EKD-Friedensdenkschrift gewürdigt. Doch es gibt auch Kritik am Papier.

Außenminister Johann Wadephul (CDU) hat die neue Friedensdenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gewürdigt. “Ich freue mich sehr darüber”, sagte der Christdemokrat am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung im Berliner Haus der EKD. “Ich glaube, wir werden sie mehrfach lesen müssen, und neue Erkenntnisse daraus immer wieder für uns erschließen.”

Das am Montag am Rande der EKD-Synode in Dresden vorgestellte Papier nimmt den Worten des Ministers nach wichtige Verschiebungen vor. Dazu zähle “eine stärkere Hinwendung zu einer christlichen Anthropologie, die anerkennt, dass nicht jeder Mensch einen umfassenden Frieden will oder daran interessiert ist”, sagte Wadephul. “Christen müssen der Möglichkeit ins Auge sehen, dass der Mensch zur Störung jeglicher Ordnungsstrukturen fähig ist.”

Gleichzeitig verurteilte Wadephul die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin. “Für ihn gibt es keine Gerechtigkeit, keine Möglichkeit der Pluralität zwischen Ukrainern und Russen, sondern nur die Unterwerfung der Ukrainer unter den russischen Herrschaftsbereich und ihre Assimilation in die russische Welt.”

Die Reaktion der Kirche auf diese Situation sei ein “Drahtseilakt” gewesen. Die Kirche könne nicht jedem tagespolitischen Trend hinterherlaufen. Gleichzeitig müsse sie den Menschen dort ein Angebot machen, wo sie in ihrem Leben und in ihrem Gegenwartsverständnis stehen. “Die neue Denkschrift der EKD erkennt an, dass die Anwendung von Gegengewalt durch einen angegriffenen Staat nicht nur völkerrechtlich, sondern auch ethisch gerechtfertigt ist”, sagte Wadephul. “Denn die Alternative zur Gegengewalt ist klar: Das ist Mord, Vergewaltigung, die Folter von Zivilisten, die Entführung ukrainischer Kinder nach Russland.” Wer sich dagegen wehre, habe einen Anspruch auf Unterstützung.

Die frühere stellvertretende Nato-Direktorin für Sicherheitskooperation mit den Partnerländern, Gerlinde Niehus, sagte, Deutschland lebe nicht mehr im Frieden. Putin überziehe Europa mit einem Schattenkrieg. “Wir müssen realisieren, dass man so einen Gewaltmenschen wie Putin nicht mit Appeasement eindämmen kann”, sagte Niehus. Besonders kritisch sehe sie die Annäherung zwischen US-Präsident Donald Trump und Putin. “Wir haben ein Mitglied in der Nato, das kein verlässlicher Alliierter mehr ist.”

Kritik an der Denkschrift äußerte der Berliner Philosoph Oliver Müller: “Ich finde es schockierend, wie zurückhaltend die Denkschrift zur atomaren Abschreckung urteilt”, so Müller. “Wenn es darum geht, sich gegen einen konventionellen Angriff zu wehren, brauchen wir keine Atomwaffen.”

Die EKD-Ratsvorsitzende, Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs, hob hervor, dass die Friedensdenkschrift keine Zeitenwende sei, aber Akzentverschiebungen böte. “Es geht um eine differenzierte Debatte und nicht um die einfachen Lösungen”, so Fehrs. “Es ist gelungen, viele Positionen zu verbinden zu einer Schrift, bei der viele zustimmen konnten.”