Ausgebeutet im Diplomaten-Haushalt

Putzen, Kochen, Waschen, von früh bis spät: Weltweit werden Hausangestellte in Diplomatenhaushalten ausgebeutet. Auch in Deutschland schuften Frauen laut der Menschenrechtsorganisation Ban Ying bei ausländischen Vertretungen, ohne dass die hiesigen rechtlichen Bedingungen erfüllt werden. So wie die Maria Santos.

Die Philippinerin habe über Jahre täglich rund 15 Stunden für die Familie eines Diplomaten in Berlin gearbeitet, sagt Babette Rohner vom Verein Ban Ying, der die Opfer dieser Form von moderner Sklaverei unterstützt. Von ihrem vereinbarten Lohn erhielt Santos, die eigentlich anders heißt, aber nur einen Teil. Etwa 80.000 Euro seien ihr zu wenig ausgezahlt worden, erklärt Sozialarbeiterin Rohner.

Im Sommer 2022 ging die Philippinerin in Deutschland an die Presse, um Druck auf ihre Arbeitgeber auszuüben. Die damals 45-Jährige sah kein anderes Mittel mehr. Unterstützt wurde sie von Ban Ying. Eine Klage beim Arbeitsgericht wäre für Santos wohl aussichtslos gewesen: Laut dem „Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen“ von 1961 genießen Diplomaten Immunität im Empfängerstaat. Vor Strafverfolgung sind sie somit geschützt.

„Hausangestellte von Diplomatenhaushalten haben dadurch de facto keinen Zugang zur Justiz“, sagt Rohner. Die Betroffenen müssten etwa arbeiten, obwohl sie krank sind, dürften nicht zum Arzt gehen und hätten viel weniger Ruhe- und Freizeit als gesetzlich vorgeschrieben. Zugleich erhielten sie oft nur einen Teil des vereinbarten Gehalts oder gar keines. Viele Frauen seien auch Gewalt oder sexuellen Übergriffen ausgesetzt.

Zum Ausmaß des Problems gibt es kaum verlässlichen Zahlen. Das philippinische Nachrichtenportal „Rappler“ hat in einer aufwendigen Recherche die Fälle von 208 Angestellten in Diplomatenhaushalten dokumentiert, die wegen Ausbeutung und Gewalt gegen ihre Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber vorgegangen sind – in überwältigender Mehrheit ohne Erfolg. Die Frauen stammten meist von den Philippinen, aus Indien und Indonesien und arbeiteten zum Großteil in den USA oder Europa, darunter Großbritannien, Schweiz, Frankreich und Deutschland.

Laut Auswärtigem Amt waren 2023 mehr als 100 private Hausangestellte in Diplomatenhaushalten in Deutschland beschäftigt. Ein Fall sei bekannt geworden, in dem der Arbeitgeber nicht nachweisen konnte, einer Haushaltshilfe den arbeitsvertraglichen Lohn vollständig ausbezahlt zu haben.

Ban Ying lagen im vergangenen Jahr Beschwerden von acht Hausangestellten vor. Einige meldeten sich direkt bei der Organisation, andere erhielten die Kontaktdaten vom Auswärtigen Amt bei der Erneuerung ihres Protokollausweises für Mitglieder diplomatischer Vertretungen in Deutschland. Die meisten dieser Frauen kämen von den Philippinen, aus Indonesien oder den Herkunftsländern der Diplomatenfamilien, sagt Rohner.

Seit 2002 kooperiert die Beratungsstelle mit dem Auswärtigen Amt. Dadurch hat sich die Lage laut Rohner etwas verbessert. So müssten die Hausangestellten inzwischen selbst zum Amt, um ihre Protokollausweise zu erneuern. Dies verhindere, dass sie dauerhaft eingesperrt würden und niemandem von möglicher Ausbeutung berichten könnten. Zudem gebe es verpflichtende jährliche Informationsveranstaltungen im Auswärtigen Amt.

Bei Fällen wie dem von Maria Santos ist die Beratungsstelle ratlos. Wegen der Immunität der Arbeitgeber bleibe als einziges Druckmittel die Öffentlichkeit, sagt Rohner. Aber auch das sei nicht mehr so wirksam wie früher – auch weil vielen Botschaften ihr Ruf zunehmend egal sei.

Helfen würde, wenn Hausangestellte nicht mehr in den Diplomaten-Haushalten wohnen müssten, sagt Rohner. In Deutschland ist das, anders als in anderen europäischen Ländern, vorgeschrieben. Auch ein Arbeitgeberwechsel sei in vielen Ländern einfacher. Weltweit ist der Aufenthaltsstatus von ausländischen Angestellten in Diplomatenhaushalten nach dem Wiener Übereinkommen an das Arbeitsverhältnis geknüpft. „Wenn sie sich wehren, müssen sie ausreisen“, sagt Rohner.

Auch Maria Santos ist zurück in ihrer Heimat Philippinen. Auf die 80.000 Euro Lohn wartet sie immer noch.