Aus für humanitäre Visapflicht

Menschenrechtler und Sozialverbände kritisieren Gerichtsentscheid

Luxemburg/Berlin – Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), nach dem EU-Staaten keine humanitären Visa für Flüchtlinge erteilen müssen, ist auf Kritik bei Menschenrechtlern und Sozialverbänden gestoßen. Pro Asyl sprach von einem „traurigen Tag für den Flüchtlingsschutz“, die Dia­konie von einer „vertanen Chance“. Der Europa-Referent von Pro Asyl, Karl Kopp erklärte: „Im Mittelmeer wird nun weiter gestorben.“ Flüchtlinge hätten so gut wie keine Möglichkeit, legal nach Europa zu kommen, um dort einen Asylantrag zu stellen. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte in Berlin, er bedaure sehr, „dass der Gerichtshof nicht dem wegweisenden Votum des Generalanwalts Paolo Mengozzi gefolgt ist“.
Lilie rief alle EU-Mitgliedstaaten zum Umdenken auf: „Legale Einreisemöglichkeiten für Schutzsuchende sind für das Menschenrecht auf Asyl unabdingbar.“ Der Theologe verwies zudem darauf, dass ein solcher legaler Zugang in die EU Menschenleben retten würde: „2016 sind mit über 5000 Toten so viele Flüchtlinge im Mittelmeer gestorben wie nie zuvor.“ Der Verbandspräsident forderte europaweit humanitäre Einreisevisa und den Ausbau von Resettlementprogrammen für Flüchtlinge. „Auch die erfolgreichen Bundes- und Landesaufnahmeprogramme in Deutschland müssen weitergeführt werden“, unterstrich Lilie.
Organisationen hatten gehofft, mit der Verpflichtung zur Ausstellung humanitärer Visa Flüchtlingen legale und ungefährliche Wege in die EU zu eröffnen. Diese Verpflichtung hätten die Mitgliedstaaten aber nicht, entschied der Europäische Gerichtshof in Luxemburg. (AZ: C-638/16 PPU)
Nach der Entscheidung der Richter steht es den Mitgliedsstaaten weiterhin frei, selbst nach nationalem Recht zu entscheiden, ob sie von Folter und Tod bedrohten Flüchtlingen ein entsprechendes Visum erteilen. Damit scheiterte eine aus Aleppo stammende syrische Familie mit drei minderjährigen Kindern mit ihrer Klage.epd