„Aus dem Salz entstanden, durch das Salz reich geworden“

Postkartenidylle und Sehnsuchtsort vieler Reisender: Im österreichischen Salzkammergut trifft eine beeindruckende Bergkulisse auf glasklare Seen – und über Jahrhunderte gepflegte Traditionen der Bewohner treffen auf Touristen aus aller Welt. Im kommenden Jahr schließen sich Bad Ischl und 22 weitere Gemeinden dieses ländlich geprägten Alpenraums zu einer Europäischen Kulturhauptstadt zusammen. Weitere EU-Kulturhauptstädte 2024 werden Tartu (Estland) und Bodø (Norwegen) sein.

„Aus dem Salz entstanden, durch das Salz reich geworden – und mit dem Salz geht es in die Zukunft“, sagt Elisabeth Schweeger, künstlerische Leiterin des gesamten Projekts. Sie ist zuversichtlich: Der Titel Kulturhauptstadt Europas werde wichtige Themen der Region und Europas aufgreifen und neue Impulse für die Zukunft setzen. Seit 7.000 Jahren werde im Salzkammergut Salz abgebaut. Das „weiße Gold“ habe die Region geprägt. „Nun ist es Zeit, ein weiteres Element als wesentliches hinzuzufügen: Kultur – sie ist Motor für ein zukunftsfähiges Zusammenleben im Salzkammergut und weit darüber hinaus.“

Ursprünglich handelte es sich beim Salzkammergut um den Privatbesitz der Habsburger. Das Gebiet war einst durch den Salzabbau und -handel sehr wohlhabend. Bekannt ist die Region durch Bad Ischl als Sommerfrische von Kaiserin Sisi und Kaiser Franz Joseph I., sie verbrachten die warme Jahreszeit dort in der Kaiservilla, verlobten sich 1853 in Bad Ischl. Auch das Gasthaus „Weisses Rössl“ am Wolfgangsee hat dem Salzkammergut eine große Bekanntheit verliehen.

Unter dem Motto „Kultur ist das neue Salz“ präsentiert die Kulturhauptstadt-Region im kommenden Jahr rund 300 Projekte: Musik, Theater, Performance, Literatur, Symposien. Vier Programmlinien bündeln dies unter den Überschriften: „Macht und Tradition“, „Kunst im Fluss“, „Sharing Salzkammergut – die Kunst des Reisens“ und unter dem Slogan „Globalokal – Building The New“ geht es um Nachhaltigkeit. Zur Eröffnung am 20. Januar wird der österreichische Liedermacher Hubert von Goisern mit einem Chor mit tausend Sängerinnen und Sängern im Kurpark in Bad Ischl auftreten.

„Das ist eine wunderbare Chance, sich der ganzen Welt zu präsentieren“, sagt Michael Kurz. Der Historiker aus Bad Goisern kennt sich wie kaum ein Zweiter mit der Geschichte des Salzkammerguts aus. Zugleich spüre er „a bisserl a Unbehagen“, sagt er im besten österreichischen Dialekt. Schließlich habe die Region, die seit 1997 Unesco-Welterbe ist, bereits jetzt jährlich mit einem Besucherstrom zu tun, der mittlerweile kaum noch zu bewältigen sei. „Denken Sie nur an Hallstadt: Die rund 800 Einwohner sehen sich jedes Jahr mit einer Million Touristen konfrontiert.“ Das idyllisch gelegene Dorf ist ein beliebter Fotospot.

Einheimische fragten häufig, „brauch‘ mer des?“, sagt Kurz. Er wisse, dass viele das Kulturhauptstadtjahr „nur mit Achselzucken quittieren, weil es ohnehin nicht für sie ist“. Elisabeth Schweeger als künstlerische Leiterin hält dagegen: Mehr als 85 Prozent der Veranstaltungen würden von lokalen und regionalen Projektträgern realisiert. Zudem helfe häufig der Blick von außen für eine kritische Reflexion beispielsweise der eigenen Geschichte. So werde sich das Projekt „k(ritisch) u(nd) k(ontrovers)“ mit der Geschichte der Habsburger-Monarchie auseinandersetzen.

Außerdem wird laut Schweeger ein Schwerpunkt auf die Raubkunst der Nationalsozialisten gelegt. Eine Schau in Bad Aussee soll das Leben des Kunsthändlers Wolfgang Gurlitt beleuchten. In Bad Ischl wird eine Ausstellung daran erinnern, dass das NS-Regime dort während des Zweiten Weltkriegs in einem Bergstollen Raubkunst und Kunstschätze bunkerte.

Ihn als Historiker freue es besonders, dass im Rahmen des Kulturhaupstadtjahres das Stadtmuseum Bad Ischl inhaltlich neu gestaltet werde, sagt Michael Kurz. Nachhaltigkeit der Projekte sei ihm wichtig, da sehe er noch Defizite: „Ich möchte nicht, dass am Ende 2024 alles wie Feuerwerksraketen abgezündet ist und das war’s dann.“