„Bittere Früchte“: Arte-Doku über Ausbeutung in der Landwirtschaft

Obst und Gemüse sind gesund und werden gern gekauft. Die Werbung suggeriert, dass die Ware von glücklichen Bauern aus der Nähe kommt. Die Arte-Doku „Bittere Früchte“ schaut genauer hin.

Seydou aus Mali lebt in Italien in einer Hüttensiedlung ohne Strom und Wasser
Seydou aus Mali lebt in Italien in einer Hüttensiedlung ohne Strom und WasserArte/ Marcus Zahn

Wenn man dem Einzelhandel Glauben schenkt, dann möchten Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nur zu jeder Jahreszeit jedwede Sorte Obst und Gemüse einkaufen können; es soll auch so billig wie möglich sein. Pro Jahr verzehrt hierzulande im Schnitt jeder rund 70 Kilogramm Obst und 110 Kilogramm Gemüse – und kauft dies meist im Supermarkt ein. Der Handel wirbt damit, dass die Ware von glücklichen Bauern kommt und von Hand geerntet wird. Aber ist das wirklich so?

Mit der Problematik von Lieferketten und deren Auswirkung auf die Landwirtschaft befasst sich am Dienstag, 19. März, um 21.45 Uhr die 85-minütige Arte-WDR-Dokumentation „Bittere Früchte – Ausbeutung in der Landwirtschaft“. Sie zeigt zugleich Wege zum besseren Miteinander auf.

Wie die Lieferketten vom Feld in den Einkaufskorb funktionieren

Die Filmemacher von „Berlin Producers Media“ haben für die Doku das komplizierte Handelssystem untersucht. Sie legen offen, wie die Lieferketten vom Feld in den Einkaufskorb funktionieren. Nicht ausgespart wird dabei die aggressive Preispolitik der vier großen Supermarkt-Konzerne mit etwa 25.000 Filialen im Bundesgebiet. Ihr „Tiefstpreisversprechen“ wird im Film als eine moderne Form von Sklaverei in Europa entlarvt.

Schweren Herzens muss Andreas Rahmann seine frischen Erdbeeren umpflügen: „Das ist besonders traurig, denn wir lieben Erdbeeren, und sie sind unser Hauptprodukt“, sagt der Landwirt aus dem Münsterland. Sein Problem: Die Preise, die der Handel zahlt, ruinieren ihn – allein im vergangenen Jahr hat er mit seinen Erdbeeren 100.000 Euro Verlust gemacht. Rahmann wurde nach der Vernichtung der Früchte „ausgelistet“ – die Supermärkte nehmen ihm sein Obst nicht mehr ab.

Allein in Südeuropa werden mehr als eine Million Migranten zur Ernte eingesetzt

Der Landwirt beklagt seinen Aufwand und das Risiko bei dem Naturprodukt – er muss den Boden beackern, Pflücker einstellen und bezahlen und die Ware versandfertig machen. Der Handel dagegen hat bei exakten Bestellungen keinen Ausschuss. Rahmann greift zur Selbsthilfe – er baut nun lukrativen Mais an, und seine Erdbeeren gibt es nur noch im Verkaufsstand an der Straße – ohne lange Lieferkette.

In diesen Hüttensiedlungen leben Erntehelfer in Süditalien
In diesen Hüttensiedlungen leben Erntehelfer in SüditalienArte/ Marcus Zahn

Europaweit begleitet der Dokumentarfilm auch die Ernte von Oliven, Orangen, Erdbeeren und Blaubeeren in Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und Deutschland. Allein in Südeuropa werden mehr als eine Million Migrantinnen und Migranten zur Ernte auf den Feldern eingesetzt. Den Filmemachern ist es gelungen, dass einige offen vor der Kamera sprechen. Unter den Erntehelfenden wird große Verzweiflung spürbar. Sie arbeiten fleißig und hart, erhalten mitunter wochenlang keinen Lohn dafür und hoffen auf Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung – manche von ihnen über Jahre.

Direkt im Anschluss: Arte-Dokumentation „Die Unsichtbaren – Arbeiterinnen aus Osteuropa“

Elke Sasse hat an der Gemeinschaftsproduktion von „Berlin Producers Media“ mitgewirkt. Sie hat vor allem die Drehs auf den Feldern betreut. Ihre Motivation und die der Befragten sei es, über die Situation in der Landwirtschaft zu informieren, um Diskussionen und Veränderungen anzustoßen. „Vielleicht können wir dann irgendwann Obst und Gemüse essen, das ohne Ausbeutung produziert wird“, sagt sie.

Um dieses Thema weiter zu vertiefen, läuft direkt im Anschluss um 23.25 Uhr die Arte-Dokumentation „Die Unsichtbaren – Arbeiterinnen aus Osteuropa“. Millionen Menschen verlassen dort ihre Angehörigen und begeben sich auf der Suche nach Arbeit und besseren Verdienstmöglichkeiten in den Westen. Ihre Entbehrungen sind an der Obsttheke nicht eingepreist.

„Es ist Zeit für ein Gesetz gegen Ausbeutung“

Wege zur Verbesserung zeigt die interessante Folge-Dokumentation „Bittere Früchte – Ausbeutung auf Europas Feldern“, die am 25. März um 23.35 Uhr im Ersten gesendet wird. Sie schildert, wie im EU-Parlament – gegen den Widerstand der Wirtschaft – um ein neues, europaweites Lieferkettengesetz gerungen wurde, das die Supermärkte stärker in die Verantwortung nimmt.

„Es ist Zeit für ein Gesetz gegen Ausbeutung“ in der EU, fordert die niederländische Sozialdemokratin Lara Wolters. Hoffnung auf ein besseres Miteinander macht auch, wie es die Kooperative „S.O.S. Rosarno“ in Süditalien schafft, unter menschenwürdigen Bedingungen faire Orangen zu produzieren. „Wir haben alle Stationen zwischen Produzenten und Endverbrauchern gestrichen“, sagt Orangenbauer Giuseppe.

„Bittere Früchte – Ausbeutung in der Landwirtschaft“: Am Dienstag, 19. März, um 21.45 Uhr auf Arte