Berlin zeigt Kunstwerke der Holocaust-Überlebenden Ceija Stojka

Das European Roma Institute for Arts und Culture zeigt bis zum 6. Oktober Kunstwerke der Holocaust-Überlebenden Romni Stojka. Über Bilder, die sprachlos machen.

Bild:ohne Titel, 2006, Gouache und Acryl auf Karton 52x70 cm Fotocredit: Sammlung Kai Dikhas
Bild:ohne Titel, 2006, Gouache und Acryl auf Karton 52x70 cm Fotocredit: Sammlung Kai DikhasERIAC / Ausstellung

Verschneite Öde, Baracken, schwarze Krähen mit gespreizten Krallen. „1944“ hat Ceija Stojka das 2011 entstandene Blatt betitelt. Damals, 1944, war sie elf Jahre alt. Geboren 1933 in der Steiermark, überlebte sie drei Konzentrationslager: Auschwitz, wohin sie 1943 deportiert worden war, Ravensbrück und Bergen-Belsen. Nach ihrer Befreiung Mitte April 1945 durch alliierte Truppen ließ sie sich in Wien nieder und begann erst spät, ihr Trauma aufzuarbeiten.

Mit ihrer 1988 erschienenen Autobiografie „Wir leben im Verborgenen“ machte sie als eine der ersten österreichischen Roma auf das Schicksal ihres Volkes aufmerksam. Im Alter von 65 Jahren fing sie mit der Malerei an. Sie durchbrach kontinuierlich das Schweigen, das die Täter von einst verhängt hatten, indem sie den Opfern den Zugang zu belastendem Beweismaterial verweigerten.

Bilder erzählen vom Leid der Sinti und Roma

In der Ausstellung im European Roma Institute for Arts and Culture (ERIAC) hängen Bilder, die sprachlos machen. Schwarz-Weiß-Tuschzeichnungen auf Papier, Gouachen, Gemälde. Auf einem Blatt schilderte Stojka mit wenigen Strichen, wie die Gestapo das friedliche Leben der Sinti und Roma zerstört. Mit Gewalt werden sie aus ihren Wohnwägen gezerrt, hinten schwebt das Hakenkreuz als Gespensterfratze über kahlen Bäumen. „Auschwitz 1944 ohne Worte“ wird zur Auslöschung jeglicher narrativen Darstellung, man kann allenfalls noch durch Wischer angedeutete schemenhafte Figuren erkennen.

Dafür sprechen die Bildtitel für sich: In einer Reihe stehen nackte ausgemergelte Frauen, sie halten ihre Scham mit den Händen bedeckt, die Augenpartie bleibt ausgespart. Das Tabu der Nacktheit und Reinheit der Sinti und Roma wurde von den NS-Schergen brutal gebrochen, indem sie die Inhaftierten entkleidet aufmarschieren ließen. In krakeligen Buchstaben steht: „Auschwitz. Wir schemten uns.“ „Block 10 von Auschwitz“ offeriert sich wie eine Graffiti-Zeichnung. In übereinandergestapelten Holzpritschen sind Menschen eingepfercht, die nur aus Gesichtern mit verzerrten Mündern und weit aufgerissenen Augen bestehen.

Nach dem Genozid: Freude über die wiedergewonnene Freiheit

Doch diese Papierarbeiten stehen im ERIAC in Kontrast zu einigen expressiven bunten Gemälden, die sich auf die Zeit nach dem Genozid beziehen und die Freude über die wiedergewonnene Freiheit ausdrücken, indem sie eine idyllische Natur schildern – obgleich sich die Diskriminierung der Sinti und Roma nach 1945 fortsetzte.

Bis in die 1960er Jahre wurde in der BRD sogar damit argumentiert, dass es keine NS-Verfolgung dieser Ethnie gegeben habe, da sie als Kriminelle galten, vor denen die deutsche Bevölkerung zu schützen war. Mehr als tausend Zeichnungen und Gemälde umfasst das künstlerische Werk einer Autodidaktin, die, als sie mehrfach ausgezeichnet 2013 in Wien starb, immer noch die eintätowierte Häftlingsnummer auf dem Arm trug: Z (Zigeuner) 6399. Der Nationalsozialismus verjährt nicht.

Info: „Ceija Stojka: We were ashamed“, bis zum 6. Oktober 2023 im European Roma Institute for Arts and Culture e.V. (ERIAC), Reinhardtstraße 41–43, Berlin Mitte. Die Ausstellung ist vom Montag-Freitag von 9-17 Uhr geöffnet.