„Annette Kurschus ist nicht klar mit der Sache umgegangen“

Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus hat nicht mit offenen Karten gespielt, kritisiert Matthias Schwarz vom Beteiligungsforum sexualisierte Gewalt. Im Interview sagt er, was er ihr vorwirft.

Matthias Schwarz
Matthias SchwarzJulia Stroh

Matthias Schwarz (63) stammt aus Hessen und war bis zum Eintritt in den Ruhestand im November 2023 Pfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Er ist Beauftragter für die Unterstützung Betroffener bei der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt der EKHN und seit Juli 2022 Mitglied der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der EKD.

Wie haben Sie die Tage vor dem Rücktritt der EKD-Ratsvorsitzenden Annette Kurschus erlebt?
Matthias Schwarz: Ich glaube, dass Annette Kurschus sehr schlecht beraten wurde. Wenn sie von Anfang an mit offenen Karten gespielt hätte, wäre das Ganze vielleicht anders gelaufen. Aber dieses stückweise Zugeben war tödlich. Allerdings hatte ich auch das Gefühl, dass die Presse einen evangelischen Woelki gesucht hat.

Der Betroffenenbeirat des Beteiligungsforums, dem Sie angehören, hatte den Rücktritt gefordert…
Wir waren da durchaus unterschiedlicher Meinung. In unserer gemeinsamen Pressemitteilung haben wir Annette Kurschus dazu aufgerufen, Verantwortung zu übernehmen. Eines unserer Mitglieder, Detlev Zander, ist dann am Sonntag vorgeprescht und hat ausdrücklich den Rücktritt gefordert. Von manchen Kirchenvertretern wird uns jetzt vorgeworfen, wir hätten „Königinnenmord“ betrieben. Dabei hätte die Rücktrittsforderung eigentlich aus der Synode kommen müssen.

War der Rücktritt denn aus Ihrer Sicht richtig?
Ja. Mein Vorwurf ist, dass die Ratsvorsitzende nicht klar mit der Sache umgegangen ist. Wie die gesamte Synode hat auch sie sich dazu verpflichtet, alles, was mit Missbrauch zu tun hat, über das Beteiligtenforum laufen zu lassen. Sie hätte uns also gleich nach Bekanntwerden der Vorwürfe informieren müssen. Dann hätten wir die Möglichkeit gehabt, das Vorgehen gemeinsam abzustimmen. Das hat sie nicht getan.

Was muss die Kirche noch besser machen bei der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch?
Sie muss noch viel transparenter und klarer agieren. Es läuft ja schon vieles wirklich gut. Fast alle Gemeinden haben zum Beispiel Präventionskonzepte und Ansprechpartnerinnen oder -partner. Das muss aber noch mehr nach außen dringen. Außerdem muss es auf EKD-Ebene ein noch klareres einheitliches System der Anerkennung und Unterstützung für Opfer sexuellen Missbrauchs geben. Wenn Kirche sagt, dass sie die Aufklärung zur „Chefinnensache“ machen will, dann bitte auch ordentlich!