Analyse: Außenpolitik hat Afghanistan nicht wirklich verstanden

Als Vorsitzenden der Enquete-Kommission arbeitet Michael Müller das knapp 20-jährige Engagement am Hindukusch auf – und hat jetzt Fehleinschätzungen der deutschen Außenpolitik benannt.

Für das künftige Engagement Deutschlands soll die Enquete-Kommission der Bundesregierung, unter Vorsitz von Micheal Müller (SPD), den Einsatz in Afghanistan rückblickend untersuchen
Für das künftige Engagement Deutschlands soll die Enquete-Kommission der Bundesregierung, unter Vorsitz von Micheal Müller (SPD), den Einsatz in Afghanistan rückblickend untersuchenImago / epd

Aus Sicht von Michael Müller (SPD), dem Vorsitzenden der Enquete-Kommission des Bundestages zu den Lehren aus dem Afghanistan-Einsatz, hat Deutschland die Lage am Hindukusch falsch eingeschätzt. „Wir haben das Land nicht wirklich verstanden; wir haben die Taliban nicht wirklich verstanden. Wir haben sehr viel an der Situation in den Städten festgemacht, aber eigentlich wussten wir nicht ausreichend, was in diesem riesigen Land passiert und wie die Entscheidungsstrukturen sind“, sagte Müller dem Digitalportal Table.Media in einem veröffentlichten Interview.

Müller: Mehr wissenschaftliche Expertise

Das Engagement zusammen mit den USA sei richtig gewesen, sagte der SPD-Politiker. Für künftige Einsätze brauche es indes mehr wissenschaftliche Expertise. „Wir müssen Entscheidungen auf einer besseren Basis treffen können, als es in Afghanistan der Fall war“, forderte er. Rückblickend habe es sich als Fehler gezeigt, zu den Taliban, „zu dieser für das Land so wichtigen Gruppe“, keinen direkten Kontakt zu haben.

Die Enquete-Kommission hat die Aufgabe, den 20-jährigen Einsatz der Bundeswehr im Rahmen des internationalen Militäreinsatzes rückblickend zu analysieren und daraus Lehren für künftige Einsätze zu entwickeln. Rund 160.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten leisteten zwischen 2001 und 2021 Dienst in Afghanistan, 59 verloren dabei ihr Leben. Ende Juni 2021 verließen nach einem Nato-Beschluss die letzten deutschen Streitkräfte das Land. Die Taliban übernahmen kurz darauf die Macht.

Afghanistan-Einsatz: Nicht alles war schlecht

Müller sagte nach einem Jahr Arbeit in der Kommission: „Wir sollten Fehler nicht unter den Tisch kehren, wir wollen ja daraus lernen. Aber wir sollten auch nicht sagen: Alles war schlecht.“ Für die afghanische Bevölkerung sei die Bundeswehr über viele Jahre ein wichtiger Partner gewesen.