Altenpfleger in Bremen zu lebenslanger Haft verurteilt

Im Prozess um den Tod zweier Bewohner eines Altenpflegeheimes in der Bremer Bahnhofsvorstadt hat das Landgericht der Hansestadt den Angeklagten wegen versuchten Mordes und Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Das Schwurgericht stellte am Montag bei dem heute 44-jährigen Altenpflegehelfer nach Angaben eines Gerichtssprechers außerdem die besondere Schwere der Schuld fest und sprach ein lebenslanges Berufsverbot aus. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz in Dortmund forderte „eine Kultur des Hinschauens“.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, eine Revision der Verteidigung ist wahrscheinlich (Az: 21 Ks 250 Js 60302/19). Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten vorgeworfen, dass er im Februar und im April 2019 zwei Pflegeheim-Bewohnern größere Mengen von Medikamenten ohne medizinische Notwendigkeit gegeben und dabei ihre Wehrlosigkeit ausgenutzt hatte. Dabei handelte es sich in einem Fall um eine Überdosis Insulin, im zweiten Fall um das Herzmedikament Metoprolol.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er auf diese Weise Notfälle herbeiführen wollte, um sich anschließend im Kollegium als Retter profilieren zu können. Das Vorgehen erinnert insofern an den Serienmörder Niels Högel, der 2019 vom Landgericht Oldenburg wegen 85-fachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Er hatte Patienten mit Medikamenten vergiftet, um sie anschließend reanimieren zu können.

Im Bremer Fall blieb es bei der Insulin-Überdosis bei versuchtem Mord, weil nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte, dass der Bewohner daran gestorben war. Bei der Vergiftung durch Metoprolol stand das nach Auffassung des Schwurgerichts außer Frage.

Mit Blick auf das Pflegeheim insgesamt kritisierte der Vorsitzende Richter Björn Kemper in seiner Urteilsbegründung gravierende Missstände, die zum Tatzeitraum in der Pflege der Einrichtung geherrscht hätten. Der Angeklagte war als Mitarbeiter einer Zeitarbeitsfirma in dem Haus beschäftigt.

Vorstand Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz warnte, Einzeltäter hätten in der Pflege leichtes Spiel, denn hier gehörten Krankheit und Tod zum Alltag. „Deshalb braucht es in Kliniken und Heimen eine Kultur des Hinschauens und bundesweit für alle Einrichtungen externe Whistleblower-Systeme. Dabei ist jeder gefragt, vom Pflegehelfer bis zur Geschäftsleitung.“ Ebenso müsse der Einsatz von Künstlicher Intelligenz geprüft werden. Algorithmen könnten helfen, Auffälligkeiten im Schichtsystem zu identifizieren.

Brysch ergänzte, überdies sei eine lückenlose, standardisierte und elektronische Kontrolle der Medikamentenabgabe notwendig. Amtsärztliche qualifizierte Leichenschauen seien verbindlich vorzuschreiben. „Es wird Zeit, dass in allen Ländern endlich Schwerpunktstaatsanwaltschaften und zentrale Ermittlungsgruppen für Delikte in Pflege und Medizin eingerichtet werden.“

Unabhängig von einer Revision ist es sehr wahrscheinlich, dass gegen den Bremer Pflegehelfer weiter prozessiert wird. So liegen dem Gericht nach Aussage seines Sprechers zwei weitere Anklagen aus früheren Jahren vor, die noch geprüft werden. Dabei gehe es um zwölf Taten, darunter auch um drei Todesfälle.

Der Mann stand nicht zum ersten Mal vor Gericht. Er wurde bereits 2020 vom Bremer Landgericht wegen zwei ähnlicher Fälle verurteilt. Allerdings überlebten die betroffenen Bewohnerinnen damals. Die Opfer waren ebenfalls wehrlos: Eine der beiden Frauen war zur Tat 92 Jahre alt, nahezu blind und dement. Die andere war 75 Jahre alt und konnte nach einem früheren Schlaganfall nur noch über Laute kommunizieren.