Seit langem warten Hunderte Afghanen mit einer Zusage aus Deutschland in Pakistan und in ihrer Heimat auf Aufnahme. Jetzt sollen viele Betroffene einen negativen Bescheid bekommen. Pro Asyl übt scharfe Kritik.
Die Bundesregierung macht ernst und will Hunderte Afghanen mit Aufnahmezusage nicht einreisen lassen. Rund 640 Menschen von einer sogenannten Menschenrechtsliste und aus einem Überbrückungsprogramm werde in den kommenden Tagen mitgeteilt, dass kein politisches Interesse mehr an einer Aufnahme bestehe, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums am Mittwoch. Für die Betroffenen gebe es aber weiterhin ein Unterstützungsangebot, etwa für eine Ausreise in ein anderes Land. Die Organisation Pro Asyl kritisierte den Schritt scharf.
Nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Afghanistan vor vier Jahren hatte die damalige Bundesregierung besonders gefährdeten Menschen – neben sogenannten Ortskräften auch Menschenrechtlern, Richtern und Journalisten – eine Aufnahme in Deutschland zugesichert. Die aktuelle Bundesregierung von CDU/CSU und SPD hat sich dagegen darauf verständigt, freiwillige Aufnahmeprogramme möglichst zu beenden.
Zuletzt befanden sich nach Angaben des Bundesinnenministeriums noch gut 1.300 Afghanen aus verschiedenen deutschen Aufnahmeprogrammen in Pakistan, darunter auch etwa 90 aus dem Ortskräfteverfahren und etwa 580 aus einem Bundesaufnahmeprogramm. Rund 165 Betroffene warten laut dem Auswärtigen Amt zudem in ihrer Heimat, weil sie im Spätsommer aus Pakistan dorthin abgeschoben wurden.
Die pakistanische Regierung hat Deutschland noch bis Ende des Jahres Zeit gegeben, seine verschiedenen Aufnahmeprogramme abzuschließen. Danach könnte es zu weiteren Abschiebungen nach Afghanistan kommen.
In den vergangenen Monaten konnten immer wieder Afghanen mit Aufnahmezusage, die ihre Visa vor deutschen Gerichten eingeklagt hatten, nach Deutschland einreisen. Die Gerichte bestätigten dabei Zusagen aus dem Bundesaufnahmeprogramm als rechtsverbindlich. Zusagen aus anderen Programmen seien indes als politisch zu werten. Daher sieht sich die Bundesregierung daran rechtlich nicht gebunden.
Die Organisation Pro Asyl kritisierte die Entscheidung von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) als “moralische Bankrotterklärung”. Geschäftsführer Karl Kopp sagte: “Eiskalt zeigt Alexander Dobrindt, was er von Humanität und Menschenrechten hält: nichts.” Die Vorgängerregierung habe den Menschen die Aufnahme versprochen, weil sie sich in Afghanistan für Frauenrechte, Menschenrechte und Freiheit eingesetzt hätten.
“Dobrindt lässt sie nun endgültig in akuter Lebensgefahr in Pakistan zurück”, kritisierte Kopp. Den Betroffenen drohe jetzt, dass sie in die Hände des Taliban-Regimes gerieten. “Ehrlich ist, dass Dobrindt diese Politik der Härte und Kälte am Tag der Menschenrechte verkündet”, so der Pro-Asyl-Geschäftsführer. Er sprach von einem “schändlichen Umgang mit Menschen in Lebensgefahr”.