Zurück in die Zukunft – CDU legt Entwurf zum Parteiprogramm vor

Die CDU will ihr Profil schärfen und setzt auf eine Kombination aus christlichen, sozialen, liberalen und konservativen Haltungen. Den Kompass soll weiter das „C“ bieten.

Die CDU sei wieder regierungsfähig – so formuliert es Generalsekretär Carsten Linnemann am Montag in Berlin selbstbewusst bei der Vorstellung des Entwurfs für ein neues Grundsatzprogramm. Anstoß für die Erneuerung war die verlorene Bundestagswahl 2021.

Gleich in mehreren Grundfragen setzt sich das 70-Seiten-Papier von der Ära der ehemaligen CDU-Vorsitzenden Angela Merkel ab. Das gilt nicht nur für ein Überdenken des Ausstiegs aus Kernkraft und Wehrpflicht oder einer Wende in der Asylpolitik. Es wird auch am besonders hervorgehobenen Begriff der Leitkultur deutlich. Allerdings will das Papier ehemalige Merkelwähler auch nicht verprellen.

Als Volkspartei will sich die CDU weiterhin breit aufstellen: „Auf der Basis des christlichen Menschenbildes vereint die CDU christlich soziale, liberale und konservative Haltungen und Anliegen“, heißt es. Dabei soll das „christliche Bild vom Menschen“ als Kompass dienen.

Konkret heißt das für die CDU-Verantwortlichen: der einzelne Mensch mit seiner unantastbaren Würde soll im Mittelpunkt der Politik stehen. Er wird aber in seiner Verantwortung für die Gemeinschaft gesehen. Zugleich stehe das „C“ für die Einsicht, dass es in der Politik nur um vorletzte Wahrheiten gehe. Dabei nimmt die Union für sich in Anspruch „im besten Sinne bürgerlich“ zu sein – ohne das „C“ durch „bürgerlich“ zu ersetzen, wie es auch zur Diskussion stand.

Die Leitkultur soll nach den Worten der Vorsitzenden der Programm- und Grundsatzkommission Serap Güler den Zusammenhalt der Gesellschaft garantieren. Dazu sei mehr erforderlich als ein Bekenntnis zur Verfassung, so Güler weiter: Nämlich unter anderem „Respekt und Toleranz, das Bewusstsein von Heimat und Zugehörigkeit sowie die Anerkennung des Existenzrechts Israels“, wie es im Entwurf heißt. Nur wer dies ohne Wenn und Aber anerkennt, kann nach Ansicht der CDU deutscher Staatsbürger werden.

Ausdrücklich betont der Entwurf, dass Deutschland „ein christlich geprägtes Land“ sei. Kirchen und Gemeinden gelten als „wichtige Partner bei der Gestaltung unseres Gemeinwesens“ und übernähmen „eine wichtige Rolle in der öffentlichen Daseinsvorsorge“. Mehr noch: „Sie sind gesellschaftspolitische Stabilitätsanker, die Menschen Orientierung geben, Sinn stiften und Seelsorge betreiben.“ Deshalb müssten christliche Symbole „im öffentlichen Raum sichtbar bleiben, sie sind ebenso zu schützen wie der Sonntag und die christlichen Feiertage“.

Daneben werden auch die anderen Religionen gewürdigt – allerdings mit unterschiedlichem Akzent: „Jüdisches Leben gehört zu Deutschland“, lautet schlicht die Formel für das Judentum. Beim Islam wird dies eingeschränkt: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“ heißt es hier – ergänzt durch die Aussage: „Die Scharia gehört nicht zu Deutschland.“ Ziel ist demnach „ein lebendiges Gemeindeleben auf dem Boden des Grundgesetzes“, einschließlich deutscher Imamausbildung und ohne Einflüsse aus dem Ausland.

Die Familie wird in dem Text wieder von der Kernfamilie her gedacht im Sinne eines „Leitbildes von Ehe und Familie“. Sie soll dabei unterstützt werden, „Werte zu vermitteln“. Zugleich wird Alleinerziehenden sowie Kindern aus bildungsfernen und einkommensschwachen Familien Unterstützung zugesagt. Bildung gilt laut Entwurf als Schlüssel zu Aufstieg und Integration. Und beim Sozialstaat soll nach Linnemanns Worten die Eigenverantwortung stärker gewichtet werden.

In der Migrationspolitik wird der Wandel am Konzept der sicheren Drittstaaten als Orte für Asylverfahren und mögliche Aufnahmestaaten für Flüchtlinge deutlich. Bei der Rente wird wiederum eine „verpflichtende kapitalgedeckte Altersvorsorge“ verlangt. Und dem Klimawandel will die CDU mit Technologie und Anreizen wie dem Emissionshandel entgegentreten. Zugleich bekennt sich der Entwurf zu einem vorläufigen Erhalt der Kernkraft. Diese Konzepte eines „Zurück in die Zukunft“ zeigen sich etwa auch, wenn es nach der Aussetzung der Wehrpflicht „keine Denkverbote“ geben und ein „verpflichtendes Gesellschaftsjahr“ auch „den Streitkräften unseres Landes zugutekommen“ soll.

Bei manchen Themen scheint die Union, an die AfD verlorenes Terrain zurückgewinnen zu wollen, wenn sie sich etwa „gegen Gender-Zwang“ ausspricht. Für Linnemann folgt sie allerdings allein eigenen Überzeugungen; mit einer „klaren Handschrift und Zukunftsmelodie“, so der Generalsekretär. Offiziell will der Vorstand das neue Grundsatzprogramm Mitte Januar auf eine Klausur in Heidelberg beschließen. Auf dem 36. Parteitag Anfang Mai müssen die 1.001 geladenen Delegierten in Berlin dann entscheiden, ob sie dem neuen Sound folgen wollen.