Zum Buß- und Bettag feiert Amnesty in Hamburg mit Promi-Faktor

Es ist eine Tradition in der Hamburger Hauptkirche St. Katharinen: Zum 50. Mal gestalten Mitglieder von Amnesty International den Gottesdienst zum Buß- und Bettag – Promifaktor inklusive.

Im November 2017 war Joachim Gauck beim Amnesty-Gottesdienst zu Gast, hier begrüßt von Pastor Frank Engelbrecht
Im November 2017 war Joachim Gauck beim Amnesty-Gottesdienst zu Gast, hier begrüßt von Pastor Frank EngelbrechtThomas Morell

Walther Jens kam 1977, Antje Vollmer 1987, Petra Kelly 1991, Joachim Gauck 2017. Die Liste, die Anke Caßens-Neumann auf ihrem Rechner abgespeichert hat, ist beeindruckend. Es sind die Namen der Rednerinnen und Redner des Gottesdienstes zum Buß- und Bettag, der seit 50 Jahren in der Hauptkirche St. Katharinen gefeiert wird.

Anke Caßens-Neumann ist Pastorin in der Kirchengemeinde Farmsen-Berne – und Mitglied einer Hamburger Amnesty-International-Gruppe. 1977 gestaltete sie erstmals einen Bußtagsgottesdienst in der Hauptkirche mit. „Wir fühlen uns seit 50 Jahren herzlich willkommen“, sagt sie. „Ich erlebe eine große Selbstverständlichkeit, dass wir diesen Gottesdienst in St. Katharinen feiern.“ Er findet in Kooperation mit der Hauptkirche statt, auch dieses Jahr wird Hauptpastorin und Pröpstin Ulrike Murmann mitwirken.

Jan Philipp Reemtsma ist in diesem Jahr zu Gast

Die kommenden Auflage findet am Mittwoch, 22. November um 19 Uhr in St. Katharinen statt. Wer nicht vor Ort dabei sein möchte, kann die Übertragung live auf Youtube verfolgen.

In der Hamburger Hauptkirche St. Katharinen feiert Amnesty International traditionell einen Gottesdienst zum Buß- und Bettag
In der Hamburger Hauptkirche St. Katharinen feiert Amnesty International traditionell einen Gottesdienst zum Buß- und BettagImago / Ilva Vadone

Redner in diesem Jahr ist Jan Philipp Reemtsma, Gründer des Hamburger Institut für Sozialforschung. Als die Amnesty-Gruppe sein gewähltes Thema für den Gottesdienst erfuhren, war die Überraschung groß. Es lautet: „Der politische Kampf für Menschenrechte hat kein religiöses Fundament.“ „Wir lassen unseren Rednern die größtmögliche Freiheit“, betont die Anke Kaßens-Neumann. Und auch bei diesem Thema vertrauten sie darauf, dass Reemtsma ein „kluger Mensch“ sei.

Am Ausgang gibt’s Briefe

Denn das Vortragsmotto widerspricht, so der erste Eindruck, der Haltung des Gottesdienstteams, deren Engagement Folge und Ausdruck des Glaubens ist. „Für mich ist der Satz Jesu ‚Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan‘ zentral“, sagt Pastorin Caßen-Neumann. Der Gottesdienst diene „zum Innehalten, zum Nachdenken, wofür wir stehen als Land und als Stadt.“

Auf die Meditation kann die Aktion folgen. Denn die Amnesty-Gruppe bereitet Briefe vor, die am Ausgang verteilt werden, um sich für Menschen einzusetzen, deren Rechte bedroht oder verletzt sind. Von ihnen wird auch im Gottesdienst erzählt.

Im Kontakt mit Petra Kelly geblieben

Gefragt nach der Geschichte des Bußtagsgottesdienstes, fällt ein Name sofort: Ortrud Weckel. Ebenfalls Amnesty-Mitglied und Christin, für die die Verbindung von Glauben und politischem Handeln bis zum ihrem Tod 2020 selbstverständlich war. Deswegen regte Weckel die Gottesdienste in St. Katharinen an. Und trieb sie voran. „Sie hat an ihrem kleinen Schreibtisch die Leute handschriftlich angeschrieben“, schildert Caßens-Neumann. Häufig sei Ortrud Weckel mit den prominenten Gästen auch nach dem Gottesdienst in Verbindung geblieben und hat etwa mit Petra Kelly Briefe gewechselt.

Nach dem Gottesdienst wird ihre Gruppe wieder überlegen, welchen „klugen Kopf“ sie für das kommende Jahr gewinnen möchte, so die Pastorin. Denn „nach dem Gottesdienst ist vor dem Gottesdienst.“