Zeithistoriker Rudolf Morsey gestorben

Der Historiker Rudolf Morsey ist tot. Er starb bereits am 14. Mai im Alter von 96 Jahren, wie am Freitagabend bekannt wurde. Der Westfale, der zuletzt an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer lehrte und in Neustadt an der Weinstraße lebte, galt als einer der besten Kenner Konrad Adenauers und betreute zusammen mit dem Historiker Hans-Peter Schwarz die Herausgabe von Adenauers Nachlass (Rhöndorfer Ausgabe).

Führend war er auch bei der Analyse der tragischen Politik des Zentrums-Kanzlers Heinrich Brüning (1930-1932), dessen Sparpolitik zur Verelendung vieler Deutscher führte und Adolf Hitler den Weg ebnete. Gerechtigkeit wollte Morsey dem oft verkannten zweiten Präsidenten der Bundesrepublik, Heinrich Lübke, widerfahren lassen. Seine 1996 erschienene Biografie führte aber nicht zu positiven Neubewertung.

Morsey wurde 1927 in Recklinghausen geboren. Er gilt als ein Vertreter der “skeptischen Generation”: Das Kriegsende erlebte er als 17-jähriger Flaksoldat und geriet in US-Gefangenschaft. Erst 1947 konnte er in Münster das Abitur nachholen und mit dem Studium beginnen.

1955 wurde Morsey mit einer Arbeit über die oberste Reichsverwaltung unter Bismarck promoviert. Seine Habilitation an der Uni Bonn erfolgte 1965 mit einer Arbeit über die Zentrumspartei zwischen 1917 und 1923. 1966 erhielt er einen Lehrstuhl an der Universität Würzburg, 1970 wechselte er nach Speyer, wo er 1972/73 Rektor der Hochschule war.

Als Zeitgeschichtler spezialisierte sich Morsey auf Institutionen und Persönlichkeiten der obersten Reichs- und Bundesebene, auf Fragen des politischen Katholizismus sowie der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte. Einen Schwerpunkt bildete dabei das Scheitern der Weimarer Republik und das Ende der deutschen Parteien 1933. Forschungen zur Entwicklung der Bundesrepublik fasste Morsey in dem 1987 erstmals erschienen Studienhandbuch “Die Bundesrepublik Deutschland 1945/49-1969” zusammen.

Morsey engagierte sich auch in zahlreichen Wissenschaftsorganisationen: Von 1968 bis 1998 stand er der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien in Bonn vor. Mehrere Jahre amtierte er als Vorsitzender der “Arbeitsgemeinschaft außeruniversitärer historischer Forschungseinrichtungen”.

Als Kenner des politischen Katholizismus gehörte der Historiker 1962 zu den Mitbegründern der kirchennahen “Kommission für Zeitgeschichte” in Bonn. Zugleich engagierte sich der Vater von vier Kindern in der Görres-Gesellschaft, einer katholischen Wissenschaftler-Vereinigung. Noch 2016 legte er eine Biografie über den Hitlergegner und katholischen Journalisten Fritz Gerlich vor, der 1934 im Konzentrationslager Dachau erschossen wurde.