ZDF-Krimidrama „Flammenmädchen“ über Einsamkeit

Ein „Feuerteufel“ geht um im Salzburger Land. Beim jüngsten Brandanschlag kam ein Mensch ums Leben – war es ein Unfall oder Mord? Stimmungsvoller ORF-„Landkrimi“ von 2021 mit Stefanie Reinsperger als Ermittlerin.

In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:

Eine Serie von Brandstiftungen versetzt ein Dorf nahe Salzburg seit Monaten in Furcht: Anscheinend treibt ein pryoamnischer Serientäter sein Unwesen, den niemand bisher fassen konnte. Lange sind nur Scheunen etc. dabei zu Schaden gekommen, doch dann geschieht ein Unglück: Nach einem weiteren Anschlag wird eine Leiche gefunden, die als Sohn des Feuerwehrhauptmanns identifiziert wird. Nun schaltet sich auch das Landeskriminalamt in die Ermittlungen mit ein.

Die Zuschauer wissen zu diesem Zeitpunkt allerdings längst schon, wer da zündelt: Ein junges Mädchen, das mit familiären Problemen kämpft, hat darin ein Ventil gefunden; nun trägt sie schwer daran, dass es so aussieht, als hätte durch ihr Zutun jemand sein Leben lassen müssen. Die Feuerwehrleute schießen sich derweil auf einen jungen Mann als Verdächtigen ein.

„Flammenmädchen“ gehört zu der österreichischen „Landkrimi“-Reihe, wurde von Catalina Molina inszeniert und überzeugt mit einer sorgfältigen Zeichnung des bedrückenden dörflichen Milieus und einer behutsam eingestreuten Krimihandlung. Neben der hervorragenden Darstellung besticht der Film von 2021 auch durch seine atmosphärische Gestaltung

Der Einstieg in den Film ist betörend und von ähnlich soghafter Wirkung wie jener in den zweiten Fall der Postenkommandantin Franziska Heilmayr (Stefanie Reinsperger – u.a. bekannt aus dem Dortmunder „Tatort“). „Das dunkle Paradies“ begann Regisseurin Catalina Molina mit einer langen Kamerafahrt zu sphärischen Klängen. „Flammenmädchen“ setzt mit einer visuell wie musikalisch äußerst stimmungsvollen Parallelmontage ein, die Tonart ist erneut unheilvoll-melancholisch. 3sat wiederholt den sehenswerten Beitrag von 2021 aus der „Landkrimi“-Reihe des ORF am Dienstag, 2. April, von 20.15 bis 21.45 Uhr aus.

Der Auftakt zum Film ist nicht nur in atmosphärischer, sondern auch in inhaltlicher Hinsicht gelungen: Da feiert die lokale Feuerwehr ein ausgelassenes Fest, während ein altes Muttchen zum heiligen Florian betet, ihr Heim vor dem „Feuerteufel“ zu verschonen. Und zeitgleich steht ein Mädchen vor einem heruntergekommenen Haus und wirft brennende Molotow-Cocktails hinein.

Ein bündiger und zugleich sehr filmisch vermittelter Einstieg in die intelligent gebaute Story um die junge Sophie, die nicht länger „unsichtbar“ sein will – und deshalb zur allseits gefürchteten Brandstifterin wird. Der Zuschauer weiß also von Anfang an, wer die Täterin ist. Und tappt doch lange im Dunkeln.

Denn in dem eigentlich leerstehenden Haus wird nach dem Brand eine verkohlte Leiche gefunden. Wie sich herausstellt, handelt es sich um Basti, den Sohn des örtlichen Feuerwehrchefs (Simon Schwarz). War es ein Unfall? War Basti zufällig in dem brennenden Haus? Oder war es doch Mord?

Sophie (Annika Wonner) jedenfalls, das „Flammenmädchen“, ist zutiefst schockiert, als sie von dem Toten hört. Einen Menschen töten, das wollte sie keinesfalls. Um ein Gefühl von Macht ging und geht es dem jungen Mädchen, das nach dem spurlosen Verschwinden seiner Mutter vor vielen Jahren ein einsames, übersehenes Dasein führt. Ihr Vater, der lokale Wirt, ist unglücklich und kaltherzig, gibt Sophie das Gefühl, nichts wert zu sein.

Die bedrückende Enge, in die Sophie da hineingeboren wurde, zeichnen Drehbuchautorin Sarah Wassermair und Regisseurin und Co-Autorin Catalina Molina mit gekonnten, überzeugenden Strichen. Im Grunde ist „Flammenmädchen“ mehr (Gesellschafts-)Drama als Krimi. Der Film erzählt von Einsamkeit, von Menschen, die ihre Probleme mit sich selbst ausmachen, diese unter den Teppich kehren oder Selbstjustiz üben. Denn die sogenannten Mitmenschen – sogar Vertreter des Staates – haben sich als unzuverlässig und bestechlich erwiesen. Manchmal ist der Grund für die Vereinzelung aber auch nur die schöne Fassade, die aufrechterhalten werden soll. Es geht hier also um eine (Kleinstadt-)Gesellschaft, die zur Gemeinschaft nicht fähig ist.

Zu dieser zwischenmenschlichen Tristesse bieten die Polizistin Heilmayr (Stefanie Reinsperger) und ihr LKA-Kollege Martin Merana (Manuel Rubey) einen so angenehmen wie stimmigen Gegensatz: Zum dritten Mal ermittelt das sich (platonisch) mögende Duo gemeinsam, ohne dass das Private zu sehr in den Vordergrund drängen würde. Apropos: Meranas Lovestory mit einer zunächst Verdächtigen wäre tendenziell entbehrlich, stört allerdings auch nicht sehr.

Reinsperger ist erneut toll als sensible, sich anrühren lassende Postenkommandantin; für die Performance wurde die Schauspielerin mit einer „Romy“ ausgezeichnet. Allein für die Szene, in der sie nächtens angedüdelt im Taucheranzug an einer Bar sitzt, hätte sie alle Schauspielpreise dieser Welt verdient. Aber auch Annika Wonner als Sophie ist herausragend, eine absolut starke Leistung der jungen Darstellerin.

Dazu kommt der spezielle Stempel von Molina und ihrem „Landkrimi“-Team (zu dem unter anderem Kameramann Klemens Hufnagl und Komponist Patrik Lerchmüller gehören), den diese allen Fällen der Franzi Heilmayr aufdrücken. Mit ihren Bildern, Klängen und evozierten Gefühlen sorgen sie für eine wahrlich synästhetische Erfahrung: Wunderschön, wie da in die schwarzblaue Düsternis aus Schwermut und Tristesse auch warme Momente aus Zuneigung und leisem Humor getupft werden, wie kleine, bunt leuchtende Punkte.