ZDF-Krimi überzeugt mit ungewöhnlichen Figuren

Acht Millionen sind weg. Und mit ihnen Omar, der Fahrer des Geldtransporters. Seine Frau, seine Mutter, seine Geliebte und die Mutter seines geprellten Kumpels machen sich gemeinsam auf die Suche nach dem Geld…

Ein Krimi über verschwundene acht Millionen Euro; in dessen Zentrum: zwei Mütter um die 60, Wäscherei-Angestellte und beste Freundinnen, die eine mit tunesischem, die andere mit serbischem Hintergrund. Was für ungewöhnliche, frische und mitreißende Protagonistinnen! Und welch ein Schatz an Lebenserfahrung, Klugheit und Witz! Den das hiesige TV mit seinem Standard-Figuren-Repertoire freilich üblicherweise links liegen lässt. Was dem Fernsehen damit entgeht, führt „Der Millionen Raub“ eindrücklich vor. Das ZDF strahlt den Film am 8. April, von 20.15 bis 21.45 Uhr aus.

Haifa (Inaam Al Battat) lebt mit Sohn Omar (Karim Ben Mansur), Schwiegertochter Malaika (Sabrina Amali) und Enkelkind zusammen, arbeitet in einem Hamburger Waschsalon. Dort sind auch Malaika und Haifas beste Freundin Dunja (Anica Dobra) angestellt – Letztere ist außerdem die Mutter von Omars engstem Kumpel Zlatko (Slavko Popadic). Die beiden Männer arbeiten ebenfalls zusammen, transportieren für eine Sicherheitsfirma große Geldsummen. Ein Familienfilm also, wie er typisch ist für Drehbuchautor und Regisseur Lars Becker: Die Protagonisten sind durch ein dicht gewebtes Netz miteinander verbunden, alles hängt mit allem zusammen.

Und so werden sich die Frauen auch gemeinsam auf die Suche nach jenen acht Millionen Euro machen, die nach einem Einsatz Zlatkos und Omars wie vom Erdboden verschluckt sind – ebenso wie Omar selbst. Als eines Tages Chantal (Sina Tkotsch) im Waschsalon auftaucht, Omars schwangere Geliebte, wird sie dort zwar nicht gerade mit Begeisterung empfangen – aber doch nach und nach mit aufgenommen in die Frauenrunde.

Schließlich wird Omar in Brasilien verhaftet und ins Gefängnis nach Hamburg überstellt, schweigt jedoch ausdauernd über den Verbleib des Geldes. Dabei sitzen ihm nicht nur „seine“ Frauen im Nacken, zu denen außerdem die Anwältin Alice König (Anja Kling) gehört, sondern auch der lokale Geldverleiher Arthur, dem er Geld schuldet.

Die Story von „Der Millionen Raub“ mag nicht in jedem Detail (psychologisch) überzeugen. Doch hat der Krimi etwas viel Wichtigeres zu bieten: lebendige, stimmige Figuren, womit vor allem deren weiblicher Teil gemeint ist, in schlüssigen Konstellationen. Zwar kreisen die Gespräche der Protagonistinnen sehr häufig um Omar, also einen Mann – was laut dem berühmten Bechdel-Test, mit dem sich Filme auf Geschlechterklischees untersuchen lassen, ein Hinweis auf Sexismus sein kann. Tatsächlich fragt man sich durchaus, was all diese spannenden, selbstständigen Frauen an dem doch eher blassen, illoyalen Omar finden.

Nichtsdestotrotz entwickelt „Der Millionen Raub“ in der Durchsetzung und Zeichnung seiner ungewöhnlichen, vielfältigen und durchweg toll gespielten Frauenfiguren emanzipatorische Kraft. Nicht zuletzt, weil es eben diese Charaktere sind, die die von Lars Becker gewohnt flott und unterhaltsam in Szene gesetzte Handlung vorwärts treiben.

Die Spannung steht dabei nicht im Vordergrund: Wie so oft in den Krimis dieses Regisseurs wissen die Zuschauerinnen und Zuschauer mehr als die Figuren, sind deren Eigenheiten und Beziehungen wichtiger als der eigentliche Fall. Die Dialoge wiederum erfreuen mit Prägnanz, Witz und schönen kleinen Seitenhieben in Richtung Zeitgeist – die von vielen gerade neu entdeckte „Diversität“ war bei diesem Filmemacher schließlich immer schon Normalität.

Durchgespielt wird das Thema vor allem anhand von Haifas neuem Nebenjob: Wegen ihrer Geldsorgen nimmt diese coole Figur einen Job als Synchronsprecherin an, spricht eine im Original von Farah Diba (!) gespielte Falafelverkäuferin (!) in der (fiktiven) Kult-Serie „Good Night in the Ghetto“: eine Steilvorlage für den Running Gag, dass die aus Tunesien stammende, also Arabisch sprechende Haifa eine Perserin synchronisiert. Aber auch ein wunderbar absurdes und zugleich stimmiges Detail, das darauf hindeutet, wie viel bunter und einfallsreicher öffentlich-rechtliches Fernsehen sein kann, so bunt und einfallsreich wie das Leben selbst: wenn man die Kreativen nur lässt.