Wo die Fastenzeit mit Meditation beginnt
Wer sagt denn, dass Fasten nur Verzicht bedeutet? Eine Hamburgerin nimmt sich Zeit für sieben Wochen mit Meditieren.
Hamburg. Seit rund sechs Jahren gibt Isabell Lohse, Sozialpädagogin aus Hamburg-Poppenbüttel, der Fastenzeit einen besonderen Dreh: Sie meditiert zwischen Aschermittwoch und Ostern jeden Tag, um die Passionszeit bewusst wahrzunehmen. Sie verzichtet also nicht, sondern fügt ihrem Alltag etwas nicht Alltägliches hinzu. „Ich möchte etwas haben, worauf ich mich jeden Tag freue“, sagt sie.
Viele Menschen nutzen die sieben Wochen nach Aschermittwoch zum bewussten Verzicht auf Süßes, Kaffee oder Alkohol. Dazu lädt jedes Jahr auch die evangelische Fastenaktion unter dem Motto „Sieben Wochen ohne“ ein. Doch die Fastenzeit bringt nicht nur Einschränkungen mit sich. Es geht vor allem darum, die Passionszeit ganz bewusst wahrzunehmen. Und vielleicht ist es in diesem Jahr angesichts von Corona eher angesagt, sich einer bestimmten Sache ganz bewusst zuzuwenden.
Aus vollem Lauf
Isabell Lohse meditiert in dieser Zeit jeden Tag. „Ich versuche es jedenfalls. Das ist ja nicht so einfach, aus dem vollen Lauf zu kommen und dann plötzlich ruhig zu werden.“ Vor allem, wenn der Alltag einem im Nacken sitzt und die Gedanken nur schwer abzuschalten sind. Jeden Tag nimmt sie sich eine Viertelstunde zum Schweigen und versucht dabei an nichts zu denken: „Einmal ganz bewusst versuchen, nicht in den Alltag abzuschweifen.“
Damit das funktioniert, hat sie sich einen eigenen Ablauf geschaffen: Sie singt ein bestimmtes Lied und liest in der Zeit gezielt in der Bibel die Erzählung von dem Weg Jesu bis zur Kreuzigung. Auch räumlich richtet sie sich dafür einen festen Platz in der Wohnung ein, ausgestattet mit Decken und Kissen. Nach und nach wird dieser Platz gefüllt mit Fundstücken von Spaziergängen oder einem Foto, das für sie gerade eine bestimmte Rolle spielt.
Gelegentlich geht ein Tag verloren
Durch die gezielte Zeit der Meditation wird ihr die Bedeutung der Passionszeit bewusster: Es sei die Zeit, in der Jesus gelitten hat, sagte sie. Dass bereits vor Ostern schon Ostereier aufgehängt werden, erscheint ihr vor diesem Hintergrund paradox: „Ostern passt einfach in dieser Zeit noch nicht.“ Isabell Lohse ist es wichtig, die Zeit vor Ostern ganz bewusst zu erleben. „Sonst geht die Passionszeit einfach so vorbei.“
Sieben Wochen mit Meditation, das hat für sie bisher in der Regel gut geklappt. Gelegentlich geht ein Tag auch einmal verloren. „Aber am nächsten Tag ist ja wieder die Chance dazu.“ Dabei betont sie: „Ein Zwang ist auch bei ‚Sieben Wochen mit‘ wenig hilfreich. Denn es soll ja etwas Positives sein, ich möchte mich auf diese Zeit freuen.“ Doch kostet es sie ab und an auch Überwindung, sich die Zeit zu nehmen, wenn der Alltag ablenkt. Daher sieht sie den Lockdown auch als Chance: „Dann kommt vielleicht nicht mehr so viel dazwischen.“ (epd)