Westsahara, Irak, Litauen: Rund um den Globus ist die Bundeswehr im Einsatz. Seit 70 Jahren besteht die Truppe. Ein Offizier und ein Ex-Soldat erzählen von ihren Erfahrungen.
Der “Staatsbürger in Uniform” – seit ihrer Gründung vor 70 Jahren gilt dieses Leitbild für die Bundeswehr. Genauer seit am 12. November 1955, als der damalige Verteidigungsminister Theodor Blank (CDU) den ersten Soldaten der Bundeswehr ihre Ernennungsurkunden überreichte. Es sind 70 Jahre bewegte und oft umstrittene Geschichte, vom Bundeswehreinsatz bei der Hamburger Sturmflut 1962 bis zum Auslandseinsatz in Afghanistan bis 2021. Ein ehemaliger und ein aktueller Soldat blicken zurück auf diese sieben Jahrzehnte.
Leutnant Tim (24), dessen Name in diesem Text aus wehrrechtlichen Gründen geändert wurde, ist 2021 zur Bundeswehr gegangen. Für ihn war es wichtig, einen Job zu finden, der abwechslungsreich und körperlich wie geistig anspruchsvoll ist. “Das hilft dabei, sich als Person weiterzuentwickeln, nicht nur dienstlich, sondern auch privat”, sagt der Offizier.
Seine Entscheidung bereut er nicht. “Ich würde heute wieder der Bundeswehr beitreten. Die aktuelle Lage ist ernst, aber gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, dass sich Menschen um die Gewährleistung äußerer Sicherheit kümmern.” Er wolle sich dafür einsetzen, dass nachfolgende Generationen in Deutschland genauso sicher aufwachsen können wie er selbst. “Aus meiner Perspektive sind die in der freiheitlich-demokratischen Grundordnung festgehaltenen Werte, wie die Freiheit, Werte, für die es sich im Ernstfall zu kämpfen lohnt.”
Ähnlich gelagert war die Motivation für Frank Fischer aus Neuss, den Soldatenberuf zu ergreifen. “Für mich persönlich war es einfach wichtig, meinem Land etwas zurückzugeben”, sagt der 55-Jährige, der in den 1990er Jahren als Zeitsoldat bei der Luftwaffe in Nörvenich gedient hat.
Fischer war der Erste in seiner Familie, der bei der Bundeswehr war. Seine Großväter kämpften im Zweiten Weltkrieg, sein Vater gehörte nach Kriegsende zu einem “blinden Jahrgang” und wurde nicht eingezogen. Neben seinem Wunsch nach einem Dienst an der Gemeinschaft war für Fischer vor allem die berufliche Perspektive bei der Armee reizvoll. “Ich konnte dort was machen, das ich gern wollte: an Flugzeugen arbeiten”, erklärt der ehemalige Wartungsmechaniker für das Kampfflugzeug Tornado.
Die Gründe, Soldat zu werden, erscheinen Fischer heute noch so sinnvoll wie damals – trotz Bedrohungslage in Osteuropa. “Ich würde wieder hingehen. Und ich würde es auch jetzt noch machen, aber das geht leider durch eine Erkrankung nicht mehr.”
In diesem Jahr erinnert die Bundesrepublik an 70 Jahre Bundeswehr und 70 Jahre Nato-Beitritt Deutschlands. Im Juli feierten etwa Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit internationalen Gästen einen Festakt zum Nato-Beitritt in Berlin. Am 2. November legten 300 neue Soldaten vor dem Brühler Schloss Augustusburg öffentlich ihr Gelöbnis ab.
“Tradition in der Bundeswehr muss mit dem Grundgesetz einhergehen”, sagt Leutnant Tim. Grundlage sei der Traditionserlass. Eine Dienstvorschrift, die bestimmt, welche Inhalte traditionswürdig sind – in Abgrenzung zu Nationalsozialismus und Militarismus.
Nach Tims Ansicht geht es auch um Zusammenhalt und Identität unter den Soldaten. “Jede Truppengattung hat ein Stück weit eigene Tradition. Sie äußert sich durch verschiedene Symbole, Militärmusik oder Gedenkstätten.” Insgesamt blickt der Offizier zufrieden auf die vergangenen 70 Jahre. Zwar habe es Höhen und Tiefen gegeben. “Dennoch können wir stolz auf das zurückblicken, was die Bundeswehr seit der Gründung erreicht hat und wofür sie steht.”