Wie Rogier van der Weyden die Taufe Jesu malte

Anhand von ­Gemälden greift ­Pfarrer Ralf-Günther Schein die Themen der Sonntage der Epiphaniaszeit auf. Es geht hier um die Taufe Jesu auf dem Johannesaltar des niederländischen Malers Rogier van der Weyden.

Wikimedia, Google Art Project/ CCO

Was Epiphanias – auf Deutsch „die Erscheinung Christi in der Welt“ – bedeutet, erzählen uns am Ende des Weihnachtskreises die Evangelien  von der Taufe Jesu (Matthäus 3) und seiner Verklärung (Matthäus 17). In beiden Erzählungen öffnet sich der Himmel und Jesus wird als „geliebter Sohn“ bezeichnet, auf dem „Gottes Wohlgefallen“ ruht. Als Verbindung beider Geschichten hat Rogier van der Weyden etwa im Jahr 1455 die Taufe Jesu auf seinem Johannesaltar gemalt.

Um 1400 kam der Künstler im französischen Tournai zur Welt, einer Stadt, die heute im süd­­west­lichen Belgien liegt. Nach einer ­Malerausbildung bei Robert Campin ließ er sich um 1435 als Meister in Brüssel nieder. Dort wirkte er als geschätzter Künstler bis zu seinem Tod im Jahre 1464. Den Johannesaltar, den er vermutlich für eine Privatkapelle schuf und der jetzt in der Berliner Gemäldegalerie ausgestellt ist, besteht aus drei gleich großen Tafeln. Auf der linken Tafel sind die Ereignisse um die Geburt von Johannes dem ­Täufer dargestellt, in der Mitte die Taufe Jesu und auf der rechten Tafel die Enthauptung des Täufers. Alle drei Tafeln zeigen die Geschehnisse unter gotischen Portal-Bögen. Auf ihnen ergänzen Reliefs die Hauptszenen. So sehen wir über der Darstellung der Taufe Reliefs, die Stationen aus dem Leben von ­Johannes zeigen und Darstellungen zur Versuchungsgeschichte Jesu. Am unteren Ende der gotischen ­Bögen sind die Apostel Johannes, Jakobus, Andreas und Petrus zu sehen.

Die Taufe Jesu

Jesus wird mit dem Bildnis seiner Taufe zur Mitte des gesamten Altars. Er steht im Jordan und neigt sich voller Demut zu Johannes, der gerade Wasser über sein Haupt rinnen lässt. Der Täufer ­erscheint ­größer als Jesus. Nach dem Zeugnis Jesu ist „keiner aufgetreten, der größer ist als Johannes der Täufer“ (Matthäus 11,11). Jesus hat eine Hand zum Segen erhoben, während er mit der anderen das weiße Lendentuch zusammenhält. Dieser ­sogenannte „Schamgestus“ erinnert an die menschliche Natur des Gottessohnes, während seine ­segnende Hand der Hand von ­Gottvater ­entspricht. Hinter Jesus weitet sich eine Fluss-Landschaft mit Burgen, Bergen und Bäumen. Diese Landschaft darf als eine vom göttlichen Licht erfüllte „Weltlandschaft“ verstanden werden, in der der Fluss als ein „Strom lebendigen Wassers“ erscheint (Offenbarung 22,1). Am Himmel darüber zeigt der Künstler Gottvater in einer rot glühenden feurigen Wolke, die an die Selbst­offenbarung Gottes im brennenden Dornenbusch erinnert (2. Mose 3). Darunter deutet eine Taube das Herabkommen des Heiligen Geistes an. Mit den weißen Wolkenrändern lässt der Künstler das Sichtbar­werden des Göttlichen wie ein Auge erscheinen, das voller Wohlgefallen und Liebe auf die Welt schaut. „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe“, heißt es am Ende des Evangeliums (Matthäus 3,17). In gotischen Buchstaben ist es auf einem himmlischen Schriftband nachzulesen. Doch beim genauen Hinschauen entdeckt man den ­Zusatz: „Auf ihn sollt ihr hören.“

Biblische Zusammenhänge

Dieser Zusatz erklingt in der Bibel erst in der himmlischen Stimme bei der Verklärung (Matthäus 17,9). Dort erscheint Jesus zwischen Mose und Elias vor einigen seiner Jünger in einem lichtvollen, weißen Gewand. Van Weyden bringt hier Taufe und Verklärung Jesu zusammen. Die weiß leuchtende Farbe im Lendentuch, die feurige Wolke, die Stimme aus der Wolke und die ­gezeigten Jünger auf den Säulen als Zeugen verbinden beide Ereignisse.

Die Darstellung von Johannes mit seinem roten Mantel erinnert an seine glühende Art zu predigen, weist auf das Feuer des Heiligen Geistes und auf Gottes segnende Liebe, die sich über dem Geschehen zeigt. Der rechts unten dargestellte Engel spiegelt in seinem zartblauen Kleid den Himmel und die Worte der ersten Predigt Jesu: „Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe“ (Matthäus 4,17). Zugleich aber reicht der Engel ­Jesus ein dunkelviolettes Gewand, das schon vom kommenden Leidensweg des ­Gottessohnes kündet.

Auf diesem Taufbild deuten die Farben der Kleidung, die dargestellten Szenen in der Architektur und die Landschaft sinnbildhaft auf Christus als Anfänger und Vollender einer neuen Menschheit. Sie weisen auf Leid und Erlösung, Feuer und Liebe, Versuchung und Umkehr, Nachfolge und Nähe. Über ­allem aber steht Gottes Wohlgefallen und sein Ruf, auf Jesus zu hören.

In den Lebensweg Jesu eingetaucht

Damit lenkt dieses Bild der Taufe Jesu auch den Blick auf unsere eigene Taufe, bei der wir in den Lebensweg Jesu „eingetaucht“ wurden oder werden, um „alle Gerechtigkeit zu erfüllen“. In der verzweigten „Weltlandschaft“ unseres Alltags gilt es, sich im Geiste Jesu einzubringen, voller Sanftmut und Barmherzigkeit, ­voller Achtung und Ehrfurcht, ausgerichtet auf seine Gerechtigkeit und zugleich damit beschenkt. Denn Gott öffnet in seinem Wohl­gefallen auch über uns den Himmel, reicht uns seine Hand, selbst in Dunkelheit und Leid, richtet uns auf und verheißt: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir. Ich stärke dich und ich helfe dir. Ich halte dich, durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit …“ (Jesaja 41,10).

Ralf-Günther Schein ist Pfarrer und Kunstbeauftragter im Ruhestand in Templin (Brandenburg).