Wie ich mein Leben mit Geh- und Sprachbehinderung meistere

Die Woche für das Leben widmet sich dem Leben und Glauben von jungen Menschen mit Behinderung. Welche Hürden meistern sie? Ein Erfahrungsbericht von Gastautor Krystian Cholewa aus Polen.

Pilgerwanderung mit einem Freund zum  Sankt-Anna-Berg in Opole am 15. August 2023.
Pilgerwanderung mit einem Freund zum Sankt-Anna-Berg in Opole am 15. August 2023.privar

Ich lebe in Polen, in der Woiwodschaft Opole, im Haus meiner Mutter. Ich bin 37 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt mit der Mobilitätsbehinderung. Meine Mutter ist viel für mich da. Außerdem hat sie sich auch sehr um meine kranke Großmutter und meinen Vater gekümmert. Sie hat hart gearbeitet, um Geld für meine Rehabilitation zu verdienen. Das Ergebnis ist, dass sie jetzt ernsthafte gesundheitliche Probleme mit ihrer Wirbelsäule hat.

Rückfall nach der Sprachtherapie

Meine Behinderung besteht darin, dass ich Probleme habe, mich zu bewegen. Ich laufe mit Hilfe von zwei Nordic-Walking-Stöcken. Es gibt jedoch Stellen, an denen ich immer noch die Unterstützung einer anderen Person brauche, zum Beispiel, wenn das Gelände uneben ist oder es keine Handläufe gibt. Mein linkes Bein ist viel schwächer. Deshalb mache ich zu Hause täglich Übungen zur Verbesserung der Beweglichkeit mit einer Leiter, gehe spazieren und ins Schwimmbad schwimmen. Die Übungen helfen mir im täglichen Leben sehr.

Vor einigen Jahren habe ich mich einer intensiven Sprach- und Stottertherapie unterzogen. Doch sie endete mit einem Rückfall. Es war schwer für mich, das zu verkraften. Meine Eltern taten mir sehr leid, weil sie sich sehr für meine Behandlung eingesetzt und viel Geld und Gesundheit investiert hatten. Ich habe einige Techniken gelernt, die ich in Krisensituationen anwende. Ich spreche zum Beispiel langsam und benutze meine Hände. Danach habe ich keine Sprachtherapie mehr in Anspruch genommen und mich auf das konzentriert, was ich in den drei Jahren gelernt hatte.

Meine Freunde haben Verständnis für meine gesundheitliche Situation. Ich wohne auf dem Land, wo ich die Grundschule besuchte. Meine Mutter fuhr mich jeden Tag zur Schule und holte mich danach wieder ab. Meine Verwandten ­halfen mir sehr beim Lernen. Ohne sie wäre ich nicht in der Lage gewesen, es zu schaffen.

Abitur geschafft!

Im Alter von 16 Jahren ging ich auf ein IT-Gymnasium, wo ich von meinen Mitschülern und Lehrern voll akzeptiert wurde. Ich war sehr gut in der Schule und es ging mir gesundheitlich gut. Durch harte Arbeit und mit Gottes Hilfe schaffte ich mein Abitur, was mir den Zugang zur Universität ermöglichte. Fünf Jahre lang, von 2005 bis 2010, studierte ich Wirtschaftswissenschaften an der Universität Opole, pendelte mit dem Bus und lebte ein Jahr lang in einem Studentenwohnheim. Während meines Studiums besuchte ich über viele Monate eine Kirchengemeinde, in der ich mich noch mehr für Gott und die anderen Menschen öffnete.

Krystian Cholewa beim Rasenmähen
Krystian Cholewa beim Rasenmähenprivat

Während des Studiums erhielt ich eine Sozialrente, ein Stipendium und hatte viele Vergünstigungen. Als ich meinen Abschluss machte, endete das alles. Das Universitätsdiplom ermöglichte es mir, in einer Bank zu arbeiten, in einem Firmenbüro. Während ­meines Studiums habe ich jedoch keinerlei Berufserfahrung oder Qualifikationen erworben, abgesehen von zwei Monatspraktika, die ich in den fünf Jahren gemacht habe. Deshalb musste ich mich bei der Arbeitsagentur bewerben, um beruflich vorbereitet zu sein. In Polen dauert ein Praktikum normalerweise zwischen drei Monaten und einem Jahr. Das hängt jedoch von der Finanzierung ab, die die Organisation zur Verfügung steht. Mein erstes Praktikum absolvierte ich beim Staatlichen Fonds für die Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen in Unternehmen im Rahmen des Ausbildungspaktes, mein zweites Praktikum bei einer Bank.

Neues lernen

Dann bekam ich die Möglichkeit, erst eine Ausbildung und dann ein Praktikum im Finanzamt zu ­machen. Dort habe ich mich mit Steuererklärungen beschäftigt. Ich musste etwas tun, denn ich wollte nicht untätig sein und etwas Neues lernen. Die nächsten drei Jahre arbeitete ich in einem Bauunternehmen als Sachbearbeiter. Dort befasste ich mich mit Verwaltungsangelegenheiten im Zusammenhang mit Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz: Aufzeichnungen über Schulungen. Ausstellung von Bescheinigungen über den Abschluss von Kursen für Mitarbeiter.

Trotz meines großen Engagements wurde mein Vertrag nach 36 Monaten Arbeit nicht verlängert. Die Leiterin sagte mir, dass ich meine beruflichen Pflichten zu langsam erfüllte. Sie brauchte jemanden in der Abteilung, der mehr leisten konnte. Also trennten sich unsere Wege. Das war sehr schwer für mich. Aber von ­diesem Moment an wusste ich, dass ich etwas in meinem Leben ändern musste. Ich beschloss, eine Umschulung zu machen. Da ich ­bereits einen Hochschulabschluss hatte, konnte ich Pädagogik studieren, um in Zukunft mit Menschen mit ­Behinderungen zu arbeiten. Allerdings wollte ich wegen meiner Sprach- und Bewegungsstörungen nie Lehrer werden. Mein Studium der Pädagogik und meine Berufs­erfahrung ermöglichten es mir jedoch, Artikel über Behinderungen, Arbeitsplatzsicherheit und Menschen zu schreiben, die spannende Interessen haben oder selbst mit Behinderungen zu kämpfen haben.

Eigentlich sollte ich gar nicht laufen können

Ich wohne mit meiner Mutter, die Rentnerin ist, und meiner älteren Schwester, die noch berufstätig ist, zusammen. Wir haben ein Haus, so dass wir keine Wohnung kaufen oder mieten müssen. Wir unterstützen uns gegenseitig im täglichen Leben. Ich sauge die Böden, decke den Tisch, mache die notwendigen Besorgungen, füttere den Hund und die Hühner und kümmere mich um den Garten. Ich mache nur Arbeiten, die mir meine Gesundheit und meine Fähigkeiten erlauben. Da ich mit meiner Familie zusammenlebe, möchte ich sie unterstützen und bei allem helfen, so gut ich kann.

Ich bin katholisch. Zu Hause beten wir gemeinsam um Kraft und Gesundheit. Manchmal ist es sehr schwierig, Gott zu vertrauen, weil alles in eine andere Richtung geht, als ich es mir wünsche. Manchmal geht es mir schlechter, ich verdiene weniger, aber ich versuche immer, um 15 Uhr den Rosenkranz der Göttlichen Barmherzigkeit zu beten. Es ist ein 10-minütiges Gebet um die Fürsprache der Heiligen Faustina. Ich kann sie um viele ­Gnadengaben bitten. Ihr ­vertraue ich alle meine Sorgen und Nöte an.

Eigentlich hatten die Ärzte mir diagnostiziert, dass ich gar nicht­ ­laufen können würde. Aber ich kann laufen: dank des großen Engagements meiner Eltern bei dieser harten Rehabilitation, aber auch dank der Hilfe Gottes, der über mich wacht. Deshalb beten wir jeden Abend den ganzen Rosenkranz, um für all das Gute zu danken, das wir im Laufe des Tages von Gott erhalten haben, aber auch um Kraft für den nächsten Tag zu bitten. Ich gehe jeden Sonntag zur Messe, ich kann es mir nicht anders vorstellen. Allerdings brauche ich die Unterstützung meiner Familie, um in die Kirche zu gehen oder die Kommunion zu empfangen.

Sportlich fit werden und ein Buch schreiben

Ich weiß aber, dass meine Kämpfe sinnvoll sind und Gott sieht, dass sie mir Kraft geben. Wenn eine Situation für mich als Mensch unmöglich ist, kann ich mich immer noch an ihn wenden, eine höhere Macht als mein menschliches Vermögen. Das haben mir meine Eltern beigebracht, und darauf vertraue ich. Im August letzten Jahres schaffte ich es, mit Hilfe eines Freundes 14 Kilometer zum Sankt-Anna-Berg zu laufen, einem Heiligtum der ­Diözese Opole, einem Ort der religiösen Verehrung mit großem historischen und geografischen Wert.

Ich möchte Barrieren abbauen, mich selbst überwinden und um Gesundheit bitten, für mich, aber auch für die ganze Familie, denn ich habe etwas, wofür ich dankbar sein kann und worum ich Gott bitten kann. Mein Traum ist es, durch Sport körperlich so fit wie möglich zu werden. Und ich möchte ein Buch schreiben, um meiner ­Familie für das zu danken, was sie über so viele Jahre für mich getan haben.