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Wenn die Eltern alt und dement werden

Die Veränderungen beginnen meist schleichend, kaum wahrnehmbar. Wenn die eigenen Eltern älter werden, beginnt ein schmerzlicher Prozess des Abschiednehmens. Warum man sich ihm stellen sollte.

Imago / Shotshop

Peggy Elfmann und Volker Kitz sind zwei von vielen Millionen Menschen, die erleben mussten, dass ihre Eltern älter und hilfsbedürftiger wurden. Beide haben inspirierende Bücher darüber geschrieben, was sie aus dieser belastenden Lebensphase gelernt haben.

Volker Kitz gewährt in seinem literarischen Essay “Alte Eltern. Über das Kümmern und die Zeit, die uns bleibt” einen persönlichen Einblick in die letzten Jahre mit seinem demenzkranken Vater. Kitz weiß sich mit seinem Erleben nicht allein; fast siebzehn Million Menschen machten hierzulande die Erfahrung, dass die Eltern alt werden. “‘Kommen sie noch zurecht?’, fragen wir uns gegenseitig.”

Demenz: Vater entfernt sich von Tochter

Für sein Erleben findet er berührende Worte, etwa für die erste Zeit, als ihn sein Vater noch erkennt. “Aber ich merke, er entfernt sich von mir, wie man in einer Liebesbeziehung manchmal spürt, dass der Partner sich in seine Welt zurückzieht.” Von der Illusion, dass alles so bleibt, wie es ist, muss er sich lösen. Zugleich ringt er mit sich. “Welche Zeichen muss ich erkennen, welche Entscheidungen darf ich treffen? Welche muss ich treffen, gegen Vaters Willen? Wie behalte ich Zugang zu ihm, teile Schmerz, Freude, pendle in seine Welt – ohne meine verdorren zu lassen?” Kitz reflektiert über die eigenen Grenzen, über Gefühle von Unzulänglichkeit und Schuld.

Mit dem zunehmendem körperlichen und geistigen Verfall des alten Mannes erlebt der Sohn, “immer zwei Schritte hinterher” zu sein. Es gebe “viel Gelegenheit, die Geduld zu verlieren”. Zugleich ist da das Bemühen, der letzten Lebensphase noch ein paar glückliche Momente abzuringen, die Beziehung zu klären – im Wissen, dass “die nächste Gelegenheit zur letzten” werden kann. “Erste Male sind immer eindeutig. Letzte Male nicht.”

Wer kümmert sich im Alter um mich?

In der von viel Nähe geprägten Zeit stellt sich der kinderlose Autor aber auch die Frage, wer sich im Alter einmal um ihn kümmern wird. Vielleicht komme es darauf an, “wenigstens einen Menschen zu finden und zu kennen, der Mitgefühl mit uns hat”. Möglicherweise bestehe “unsere Lebensaufgabe und Altersvorsorge darin, wenigstens dieses eine Geschöpf zu finden”.

Ganz lebensnah nähert sich Peggy Elfmann in ihrem Buch “Meine Eltern werden alt” dem Thema an. Wie bei so vielen Angehörigen habe sich auch bei ihr das Kümmern um Alltagsdinge und Pflegen leise und langsam in ihr Leben geschlichen. Gerade deshalb plädiert die Journalistin dafür, sich rechtzeitig – ohne Druck und Zugzwang – mit den Wünschen und Bedürfnissen von Eltern auseinanderzusetzen, “eben weil noch Zeit ist”.

Bevor es für das Reden zu spät ist

Aus eigener Erfahrung weiß sie: “Über unsere älter werdenden Eltern und das Pflegen fangen wir meist erst dann an zu reden, wenn wir längst mittendrin stecken”, wenn Herausforderungen unübersehbar seien. Zugleich sei das Thema Pflege zu komplex und zu groß, um in einen einzigen Gespräch geklärt werden zu können.

Bei demenzkranken Menschen erlischt allmählich die Erinnerung
Bei demenzkranken Menschen erlischt allmählich die ErinnerungImago / Photothek

Elfmann, deren Mutter an Alzheimer erkrankte, räumt ein, selbst den richtigen Zeitpunkt für solche Gespräche verpasst zu haben. Nicht miteinander zu sprechen, halte Veränderungen aber nicht auf, sondern mache den Umgang mit ihnen nur schwerer. Als die Diagnose kam, war es für das Reden zu spät und vieles im Unklaren. “Ich wollte für meine Mama da sein und hatte gleichzeitig große Angst, sie zu verlieren. Wie hätte ich da über Pflegeheime sprechen können? Viel zu groß war meine Sorge, sie könnte denken, ich würde sie abschieben und mich nicht kümmern wollen. Nichts lag mir ferner als das.”

Wie kann man dem Thema, das wie ein Elefant im Raum steht, also seine Schwere nehmen? Indem man sich schon sehr früh um eine gute Verbindung mit den Eltern kümmert und sich für sie und ihre Leben interessiert, findet Elfmann – also lange bevor diese gebrechlich und vergesslich werden.

Die Eltern neu kennenlernen

Elfmann hat festgestellt, dass sie als Erwachsene mit eigenem Leben viel zu wenig von deren Lebenswelt und ihrem Alltag wusste; welche Pläne und Ziele sie für die letzten Lebensjahre hatten, wo sie sich gerne aufhielten, welche Menschen ihnen wichtig waren, welche Musik sie liebten. Miteinander schöne Dinge zu erleben – etwa gemeinsam zu kochen, Lieblingsmusik zusammenzustellen, eine Kiste mit Herzensgegenständen zusammenzutragen, sich zu den Lieblingsorten der Eltern führen zu lassen – sorge nebenbei auch für gemeinsame Glücksmomente.

Auf solch einer guten emotionalen Basis sei es dann später auch einfacher, gemeinsam praktische Dinge anzugehen – etwa das Entfernen von Stolperfallen, einen barrierefreien Badumbau oder einen kritischen Blick auf die Fahrtauglichkeit. Auch Themen, die ans Eingemachte gehen – Vollmachten, Patientenverfügung oder Wünsche für das Lebensende – könnten dann leichter angesprochen werden.