Wenn der Chatbot durchs Museum führt

Nur mit dem Einsatz digitaler Medien werden Museen nach Meinung von Experten künftig noch Besucher anlocken können. Immer mehr Häuser experimentieren mit neuen Vermittlungsstrategien.

Oberhausen/Karlsruhe (epd). Antonia ist eine gastfreundliche alte Dame, die gerne aus dem Nähkästchen plaudert: Höflich bittet sie Besucher in ihr weißes Häuschen mit den grünen Fensterläden und beginnt gleich, von ihrer Geburt im Jahre 1758 zu erzählen. Antonia ist zwar kein Geist, meldet sich aber aus dem virtuellen Jenseits zu Wort, nämlich auf dem Smartphone oder Tablet. Sie ist der "Chatbot" des LVR-Industriemuseums St. Antony-Hütte in Oberhausen – ein Dialogprogramm, mit dem Museumsgäste mit Hilfe ihres Mobilgerätes in Kontakt treten können, ähnlich wie bei einem WhatsApp-Chat.

Seit Ende August leitet sie Besucher durch das Museum. Antonia ist nicht das erste digitale Angebot des Hauses. Eine App sowie 3-D-Animationen, die frühere Hüttengebäude wieder auferstehen lassen, gab es bereits. "Hier hat schon immer ein innovativer Geist geherrscht", sagt Museumsleiterin Kornelia Panek selbstbewusst. Denn St. Antony war einst die erste Eisenhütte des Ruhrgebiets.

Doch nicht in jedem Museum gelingt der Anschluss ans digitale Zeitalter problemlos. Die wenigsten Häuser haben auch so umfangreiche Kapazitäten wie etwa das Städel Museum in Frankfurt am Main, das unter anderem mit seiner digitalen Sammlung, einer App und Podcasts in Deutschland als ein Vorreiter digitaler Vermittlungsstrategien gilt.

Mit den Besuchern kommunizieren

Die Mehrzahl der rund 6.500 bis 7.000 deutschen Museen seien kleine, zum Teil sogar ehrenamtlich betriebene Häuser, sagt Stefan Rohde-Enslin vom Institut für Museumsforschung in Berlin. Für sie sei die Digitalisierung schwer zu stemmen. Meist würden Medien wie etwa ein digitaler Führer nur punktuell für Sonderausstellungen erstellt. In Zukunft führe aber kein Weg an der Digitalisierung vorbei, glaubt der Museums-Experte. "Wenn Museen den Nachwuchs künftig noch erreichen wollen, müssen sie sich umstellen."

Dabei reiche es nicht, einfach einmal eine App zu entwickeln oder einen Teil der Exponate ins Internet zu stellen, sagt Folker Metzger, Sprecher der Fachgruppe Digitales beim Bundesverband Museumspädagogik. "Da geht es um einen Kulturwandel."

Künftig müssten Museen sich darauf einstellen, mit den Besuchern zu kommunizieren. So böten digitale und soziale Medien beispielsweise die Möglichkeit, Besucher Ausstellungen kommentieren zu lassen, oder gar im Vorfeld nach ihren Wünschen zu fragen. "Und damit ist man in den Museen in Deutschland erst am Anfang."

Digitale Technik mit analoger Erfahrung verknüpfen

Viele Museumsleute hätten in der Vergangenheit auch gezögert, weil sie befürchteten, dass digitale Angebote – etwa eine Bereitstellung der Sammlung im Internet – die Leute vom Besuch im Museum abhielten, sagt Metzger. Doch das sei nicht der Fall. Das unmittelbare Erleben vor Ort sei nach wie vor attraktiv.

Diese Einschätzung bestätigt auch eine aktuelle Besucher-Studie des Deutschen Auswandererhauses in Bremerhaven: Danach lösen originale Objekte deutlich mehr Emotionen bei den Betrachtern aus als Virtual Reality.

Erfolgversprechend erscheint daher der Weg des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe, das digitale Technik mit analoger Erfahrung verknüpft. Im Juli eröffnete das Haus in der archäologischen Abteilung seine "Expothek". An Medientischen können Besucher recherchieren oder ein digitales Quiz spielen. Mit Hilfe von VR-Brillen ist es möglich, sich an die Schauplätze Tausende Jahre alter Exponate zu begeben.

"Mehr Personalisierung und mehr Spiele"

Zugleich besteht aber auch das Angebot, sich aus der digital aufbereiteten Sammlung ein Objekt zur Vorlage zu bestellen. Und so kommt es, dass die Besucher trotz virtueller Technik letztlich sogar näher an Exponate herankommen als je zuvor. Da darf dann auch schon einmal ein steinzeitlicher Faustkeil vorsichtig in die Hand genommen werden.

Derzeit forscht das Landesmuseum in Workshops weiter nach den Wünschen seiner Besucher. "Dabei kam bislang heraus, dass die Besucher nicht nur Objekttexte, sondern mehr Personalisierung und mehr Spiele wollen", sagt Museumssprecherin Natalia März.

Der Bund unterstützt die Umsetzung digitaler Vorhaben in Kultureinrichtungen, die bereits erste Erfahrungen in diesem Bereich haben, über seine Kulturstiftung mit einem "Fonds Digital" in Höhe von 15,8 Millionen Euro. Hinzu kommt das Verbundprojekt "museum4punkt0", das von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien mit insgesamt 15 Millionen Euro gefördert wird.

Ein fortlaufender Prozess

Dabei erproben und erforschen sechs Museen unterschiedliche Vermittlungsstrategien mit moderner Technologie wie zum Beispiel Virtual Reality, Augmented Reality und 3D-Modellierung. Die Ergebnisse des dreijährigen Projekts sollen im kommenden Jahr allen deutschen Kultureinrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Beteiligt sind unter anderem das Deutsche Museum in München, die Staatlichen Museen zu Berlin oder das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven.

Die St. Antony-Hütte zählt mit rund 10.000 Besuchern im Jahr zu den kleineren Museen. Den Chatbot Antonia konnte sich das Haus mit Hilfe seines Fördervereins leisten. Museumschefin Pantek findet aber auch, dass die kleinen Häuser durchaus Vorteile haben. "Wir sind klein und wendig und können auch mal punktuell etwas ausprobieren." Eines steht für die Museumsleiterin fest: Die Digitalisierung eines Museums ist ein fortlaufender Prozess. "Vor fünf Jahren wusste noch keiner, was Chatbots sind. Wer weiß, was in fünf Jahren sein wird?"