Was Frauen von der Kommunalpolitik fernhält

Ingrid Dziuba-Busch hat von einem Mentoring-Programm für mehr Frauen in der Politik profitiert und weiß, welche Kämpfe Frauen in der Kommunalpolitik durchfechten müssen.

Ingrid Dziuba-Busch ist seit bald 20 Jahren Abgeordnete im Kreistag Lüneburg und gehört zu den aktuell 21 Frauen in dem Kommunalparlament
Ingrid Dziuba-Busch ist seit bald 20 Jahren Abgeordnete im Kreistag Lüneburg und gehört zu den aktuell 21 Frauen in dem KommunalparlamentAlexander Nortrup / epd-Bild

Es war die heute mächtigste Frau Europas, die den Weg von Ingrid Dziuba-Busch aus Lüneburg entscheidend geprägt hat. Sie wolle nicht länger auf sich sitzen lassen, dass Männer derart die Lokalpolitik dominierten, verkündete die jetzige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), damals Bundesfamilienministerin, Anfang der 2000er Jahre. Frauen sollten geschult und auf ihrem Weg in die Politik begleitet werden. Die frisch in den männlich dominierten Kreistag Lüneburg gewählte Dziuba-Busch bewarb sich für das neue Programm – und blickt auch deshalb auf mehr als 15 Jahre als Politikerin zurück.

„Frauen in die Politik“ – so heißt dieses Angebot heute. Aktuell werden in zehn Regionen in ganz Deutschland erfahrene Volksvertreter und Neueinsteigerinnen zusammengeführt. Hinzu kommen Beratungen zu Themen wie Alltagssexismus und Sitzungskultur, die die Rahmenbedingungen für Politikerinnen verbessern sollen.

Wahlwerbung wirkt wie aus der Zeit gefallen

Auch Ingrid Dziuba-Busch hat sich bereits als Tandempartnerin für weiblichen Politik-Nachwuchs engagiert. Die 61-Jährige weiß, dass der Weg zur Gleichberechtigung noch lang ist. 2021, bei der vergangenen Kommunalwahl, kandidierten im Kreiswahlbereich Lüneburg Nord elf Personen für die CDU: zehn Männer und Dziuba-Busch. Das Gruppenbild mit Dame auf der Wahlwerbung wirkt wie aus der Zeit gefallen. Das stört die einzige Kandidatin aber nicht – schließlich wurde sie gewählt.

In einem Café im Lüneburger Stadtzentrum erzählt sie, wie sie das politische Einmaleins als 45-jährige Spätstarterin von einem Mann lernte. Und wie der Landtagsabgeordnete und frühere Soldat ihr als Mentor auch mit militärischem Vokabular und Denken die Spielregeln des politischen Geschäfts vermittelte: Wie vermeide ich bei Abstimmungen unangenehme Überraschungen? Worauf kommt es an bei der Arbeit in Ausschüssen und Fraktionen? „Es ging dabei gar nicht um Hinterzimmer-Politik“, sagt die CDU-Politikerin. Aber man ändere die Welt eben nicht, ohne ihre Regeln zu kennen.

Bundesweit waren 2019 laut „Atlas zur Gleichstellung von Männern und Frauen in Deutschland“ mehr als 70 Prozent der Mandate in Kreistagen und Gemeinderäten in männlicher Hand. Die Zahl der Frauen in der Kommunalpolitik steigt – aber sehr langsam: 2008 waren es 25,6 Prozent, 2019 dann 27,7 Prozent.

Erkläransätze für den geringen Frauenanteil gibt es zuhauf. Maret Bening, die Gleichstellungsbeauftragte im Landkreis Lüneburg, bilanziert: „Frauen wollen ganz häufig Themen voranbringen. Nicht Ämter und Macht.“ Hinzu kommt: Weibliche Abgeordnete mit akademischen Abschlüssen müssten sich im Sitzungsbetrieb regelmäßig abwertende Wörter wie „Milchmädchenrechnung“ anhören. „Die fragen sich dann: Warum tue ich mir das länger an?“, sagt die gelernte Software-Entwicklerin.

Politische Diskussionen wirken auf Frauen eher abschreckend

Die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft befragte 2021 mehr als 800 Politikerinnen aus Bund, Ländern und Kommunen. Zwei Drittel der Mandatsträgerinnen vermuteten, dass allein die Art der politischen Diskussion auf Frauen abschreckend wirke. Und knapp die Hälfte der befragten Politikerinnen hatte bereits selbst erlebt, dass ihre Wortmeldungen und Äußerungen weniger ernst genommen wurden als diejenigen von Männern.

Die Lüneburger Kreistagsabgeordnete Dziuba-Busch ist glücklich darüber, viel Anerkennung für ihre Arbeit zu ernten. Man müsse manchmal auch einstecken können, ob als Mann oder Frau. Aber natürlich bemerke sie durchaus Geschlechterunterschiede, sagt sie und grinst: „Die Jungs wollen immer gewinnen. Wenn ein anderer Antrag gut ist und eigentlich durchgewunken werden könnte, muss trotzdem noch aus Prinzip irgendeine kleine Änderung eingefügt werden. Frauen agieren grundsätzlich nicht so.“ Über die Jahre habe sie zudem die Beobachtung gemacht, dass viele Kommunalpolitikerinnen fleißiger seien als ihre männlichen Pendants: „Die lesen dann eben auch die Protokolle und finden im Zweifel die kleinsten Fehler darin.“

Helene-Weber-Preis für Frauen in der Kommunalpolitik

2009 verlieh Ursula von der Leyen als Bundesfamilienministerin der Lüneburgerin den Helene-Weber-Preis für Frauen in der Kommunalpolitik. Das leicht vergilbte Foto von den zwei lachenden Frauen auf der Bühne hat Ingrid Dziuba-Busch aufgehoben. Natürlich kämpfe sie nicht täglich um Frauenrechte, sagt die Verwaltungsbeamtin: „Da geht es dann eher um Raumordnungsverfahren.“

Kürzlich aber, erzählt sie, habe in ihrem Umfeld ein Mann in leitender Funktion Elternzeit nehmen wollen und sei dafür hinter vorgehaltener Hand kritisiert worden. „Da gehe ich inzwischen klar dazwischen und verteidige jemanden, der Job und Familie übereinbringen will.“ Sie selbst habe diese Kämpfe alle durchfechten müssen. Ihr Mentor habe sich einmal furchtbar aufgeregt, als sie nicht zu einem womöglich wichtigen Treffen mit dem Ministerpräsidenten gegangen sei. Sie habe ganz trocken gekontert: „Da könnte auch der Papst kommen – wenn ich keinen Babysitter habe, kann ich nicht dabei sein.“