Warum eine Physikerin ihre Posaune liebt
Sie arbeitet als Physikerin – und leitet in ihrer Freizeit einen Posaunenchor. Naturwissenschaft und Musik haben eine Menge miteinander zu tun, sagt die Hamburgerin Johanna Matthiesen.
Johanna Matthiesen ist gerade mit ihrem Studium in Hamburg fertig. Die 28-Jährige liebt Naturwissenschaften, Zahlen und Theorien. Sie ist Physikerin. Doch vor allem hat sie ein wesentliches Erkennungsmerkmal: „Man findet mich eigentlich fast immer mit Posaune auf dem Rücken.“ Seit sie acht Jahre alt ist, spielt sie Posaune. Mittlerweile leitet sie einen Posaunenchor in Hamburg – für sie ein wichtiger Ausgleich zu der kopflastigen Arbeit als Wissenschaftlerin an der Universität. Das ergänze sich gut, findet sie.
So unterschiedlich die musische und die theoretisch-naturwissenschaftliche Leidenschaft auf den ersten Blick scheinen, gibt es für sie doch einige Parallelen. „Für mich ist Musik im Allgemeinen sehr mathematisch geprägt“, sagt Matthiesen. Sie schätzt die Ordnung und die Struktur. „Das hat alles Sinn und Verstand.“ Die theoretische Seite ist das eine, das sie daran fasziniert. „Es macht mir Spaß, mich damit zu beschäftigen, zu analysieren und zu schauen, wie was zusammengehört.“ Auf der anderen Seite fährt das Musikmachen sie runter. Wenn sie allein ihr Instrument übt, aber auch in Gemeinschaft im Posaunenchor.
Intensive Proben und Zusammenhalt
Blechblasinstrumente haben in ihrer Familie Tradition: Vater und Mutter spielen und auch ihre Schwester, die das Instrument sogar zu ihrem Beruf gemacht hat. Bei Matthiesen sollte es anfangs die Trompete sein, damit die Familie ein Ensemble zusammen hat. Doch für sie war schnell das mittelgroße Blech mit Zug das Instrument der Wahl: „Eine Posaune hat für mich einen sehr wohligen, warmen und weichen Klang. Aber man kann mit ihr auch kurze, schnelle, zackige Töne spielen.“ Das macht sich vor allem im Zusammenspiel im Chor bemerkbar, wenn mehrere Bläser einen gemeinsamen Klang bilden.
Sie selbst spielt unter anderem im Posaunen-Ensemble „Blechbrise“, eine Gruppe von jungen Posaunespielenden, die zu regelmäßigen Proben und Auftritten aus Hamburg und Schleswig-Holstein zusammenkommen. Ein zeitintensives Hobby, das mit vielen Proben verbunden ist. „Gerade in der Anfangszeit meines Bachelor-Studiums war ich in vielen Ensembles unterwegs. Über den Posaunenchor bin ich auch viel gereist, zum Beispiel für Konzerte vom Landesjugendposaunenchor.“
Ihre Zeit in Proben zu stecken, war ihr immer wichtig. „Und auch die Zeit mit den Leuten zu verbringen, weil ich daraus sehr viel Energie ziehe“, ergänzt Matthiesen.
Ein Posaunenchor ist eine Welt für sich
Diese Energie zieht sie jetzt seit etwa einem Jahr auch aus der Leitung eines Hamburger Posaunenchores. Durch diese Erfahrung habe sie selbst noch mal einen anderen Blick auf Posaunenchorarbeit und den Zusammenhalt in der Gruppe bekommen. „Genauso wie ich, wenn ich zu einer Probe gehe, kommen die nach einem vollen Tag bei der Arbeit zum Chor und wollen einfach anderthalb Stunden schöne Musik zusammen machen.“
Für Außenstehende sei ein Posaunenchor eine Welt für sich. Matthiesen ist dabei wichtig, „dass man in eine Familie kommt, in der man aufgenommen und aufgefangen wird, auch wenn man einen stressigen Tag hatte“.
Das funktioniert eins zu eins in jedem Posaunenchor, egal wo sie wann neu angefangen hat, bemerkt sie. „Das finde ich von der ideellen Seite sehr schön. Das gibt mir auch sehr viel.“ Wenn sie neu in eine Stadt komme, ginge es schnell, Anschluss in einem neuen Chor zu finden. Auch als sie für ihr Studium nach Hamburg zog. „Das war das Allererste, das ich mir gesucht habe: ein Posaunenchor, zu dem ich zu Fuß zu den Proben gehen kann“, erinnert sie sich. Obwohl sie anfangs niemanden kannte, hat sie zufällig doch bekannte Gesichter getroffen. Denn die Posaunenchor-Welt ist ziemlich klein.
Jetzt freut sie sich auf Anfang Mai, wenn in Hamburg der Deutsche Evangelische Posaunentag stattfindet. 17.500 Bläserinnen und Bläser sind zu Gast und spielen überall in der Stadt Konzerte. „Man wird merken, dass in Hamburg Posaunentag ist“, sagt Matthiesen lächelnd. Sie wünscht sich, dass durch die Präsenz der vielen Menschen der eine oder die andere auf die Idee kommt, selbst dieses wunderbare Instrument zu lernen. „Das wäre der Traum!“