Vor 200 Jahren starb die Mystikerin Anna Katharina Emmerick

Ihre Verletzungen an Händen, Füßen und Körper, die den Wundmalen Jesu ähnelten, machten die Dülmener Nonne Anna Katharina Emmerick bekannt. Berühmt wurde sie aber durch Clemens Brentano, der ihre Visionen aufschrieb.

Sogar in Indien wird Anna Katharina Emmerick verehrt. Und in ihrer westfälischen Heimat ist zum 200. Todestag der „Mystikerin des Münsterlands“ (9. Februar) ein großes Jubiläumsprogramm geplant. Doch weltweite Bekanntheit erlangte die 2004 seliggesprochene Nonne durch Clemens Brentano (1778-1842): Der Dichter der Romantik schrieb vier Bücher über sie.

Anna Katharina Emmerick wurde am 8. September 1774 in Flamschen bei Coesfeld in ärmlichen Verhältnissen geboren. Schon früh erlebte sie erste Visionen zu biblischen Erzählungen. Sie arbeitete als Magd und Näherin, hegte aber schnell den Wunsch, ins Kloster zu gehen. 1802 trat sie ins Augustinerinnenkloster Agnetenberg in Dülmen ein. Schon da war sie gesundheitlich angeschlagen.

Von Anfang an beäugten ihre Mitschwestern die fromme Frau sehr kritisch. 1812 musste Emmerick als Letzte das im Zuge der Säkularisation aufgelöste Kloster verlassen. Zeitgleich traten die ersten äußeren Stigmata an Händen, Füßen, Stirn und Brust auf: blutende Stellen, die den Wundmalen des gekreuzigten Christus ähnelten. Von 1813 bis zu ihrem Tod war sie bettlägerig.

Im September 1818 reiste der Dichter Brentano von Berlin nach Dülmen. Der gerade 40-Jährige hatte kurz zuvor die Generalbeichte abgelegt: Der einstige Lebemann hatte sich wieder auf seinen katholischen Glauben besonnen. Er wollte Emmericks Visionen aufschreiben und für ihre Verbreitung sorgen – wohl auch, um Luise Hensel, Dichterin von „Müde bin ich, geh zur Ruh'“, doch noch für sich zu gewinnen, die die Nonne zeitweise pflegte.

Die Frömmigkeit und Leidensfähigkeit der Kranken faszinierten den rastlosen Sinnsucher: „Viele Nächte hab‘ ich geweint und Gott gebeten, mir doch wieder etwas zu geben, woran ich mich halten könne. Dann kam die närrische Fügung, dass ich die Emmerich (sic!) kennen lernte.“ 16.000 Seiten füllte er mit den mystisch-religiösen Gedanken der kaum Nahrung zu sich nehmenden Frau.

Daraus entstanden vier Bücher, von denen nur das erste zu Brentanos Lebzeiten erschien: „Das bittere Leiden unsers Herrn Jesu Christi“, „Leben der heiligen Jungfrau Maria“, „Lehrjahre Jesu“ und eine unvollendete Biografie der Emmerick. Doch sollten sie nicht als Protokolle ihrer Visionen, sondern als literarische Texte gesehen werden.

Für ihren 1891 eingeleiteten Seligsprechungsprozess gerieten Brentanos genaue Schilderungen sogar fast zum Hindernis. 1928 wurde das Verfahren vorläufig eingestellt und erst 1973 auf Initiative des damaligen Bischofs von Münster, Heinrich Tenhumberg, erneut aufgerollt. Am 4. Oktober 2004 erhob Papst Johannes Paul II. die Ordensfrau schließlich zur Ehre der Altäre.

Emmerick ist gerade nicht wegen ihrer Visionen und Wundmale, die laut einer umstrittenen staatlichen preußischen Untersuchung keinen übernatürlichen Ursprung hatten, seliggesprochen worden. Sie war nicht die „Dulderin“, die zu allem Ja und Amen sagt, sondern eine selbstbewusste, unabhängige Frau. Mit ihrer Glaubensstärke und Tapferkeit könnte sie auch heute vielen Menschen Stütze und Vorbild sein.

Doch ihre Geschichte erregte schon immer die Fantasie. Der Spielfilm „Das Gelübde“ (2007) von Regisseur Dominik Graf nach dem Roman von Kai Meyer verleiht dem Verhältnis zwischen Brentano (Misel Maticevic) und Emmerick (Tanja Schleiff) eine erotische Seite. Auch Mel Gibsons umstrittener Jesus-Film „Die Passion Christi“ soll durch ihre Visionen inspiriert sein.

2011 war der Fall Emmerick Teil der „Wunder“-Ausstellung in den Hamburger Deichtorhallen. Gezeigt wurden neben den Original-Seligsprechungsakten auch Reliquien der Nonne: blutbefleckte Stoffbandagen von ihren Wundmalen.

Im gleichen Jahr tauchte in der Dülmener Pfarrkirche eine Holzkiste mit einer mumifizierten Hand auf. Schnell kam die Vermutung auf, sie könne von Emmerick stammen. Laut einer Untersuchung ist dies möglich – kann aber nicht bestätigt werden.

Münsters Bischof Felix Genn übergab kürzlich zwei Reliquien Anna Katharina Emmericks an einen Priester, der diese in seine indische Heimat bringen wollte. Auch dort ist die Mystikerin des Münsterlands bekannt: Brentanos Bestseller „Das bittere Leiden unsers Herrn Jesu Christi“ wurde in viele Sprachen übersetzt, auch in Malayalam, das in Indien gesprochen wird.