Vor 125 Jahren: Abschluss des Deutsch-Spanischen Vertrags

Bei der Suche nach dem Platz an der Sonne nahm das Kaiserreich mit, was zu haben war. Vor 125 Jahren waren das die Karolinen, Palau und die nördlichen Marianen im Pazifik. Was geschah damals am anderen Ende der Welt?

Majestät waren hocherfreut. „Sie sind der reine Zauberer, den mir ganz unverdienter Weise der Himmel in seiner Güte bescherte.“ So reagierte der deutsche Kaiser Wilhelm II. auf die Nachricht seines Unterhändlers Bernhard von Bülow, als der ihn im Herbst 1888 darüber unterrichtete, dass Spanien möglicherweise geneigt sei, mehrere Inseln im Pazifik an Deutschland abzutreten. Die Spanier hatten gerade andere Sorgen: Sie rangen mit den US-Amerikanern um die Vorherrschaft auf Kuba und den Philippinen. Im Windschatten dieses Konflikts wollte Wilhelm II. den deutschen Kolonialbesitz am anderen Ende der Welt ausweiten.

Es sollte noch ein paar Monate dauern, bis es schließlich dazu kam. Am 12. Februar 1899, vor 125 Jahren, unterzeichneten Spanien und Deutschland ein heute kaum mehr bekanntes Abkommen über den Erwerb der Karolinen, von Palau und der nördlichen Marianen zum Preis von 25 Millionen Peseten. Nicht unbedingt ein Schnäppchen, wie von Bülow einräumte. Aber Belgien und Japan waren ebenfalls interessiert. Aus Perspektive der Deutschen blieb da wenig Spielraum für längere Verhandlungsrunden. Der Kaiser jubilierte ein weiteres Mal und dankte „dem liebenswürdigsten Carolinen-und Marianen-Besorger“ von Bülow, „dass Sie dieses Perlenjuwel meiner Krone haben erwerben helfen“.

Formal unterstellt wurden die neu erworbenen Gebiete der bereits bestehenden Kolonie Deutsch-Neuguinea, die damit eine Fläche von rund 240.000 Quadratkilometern umfasste. Im Jahr 1912 lebten dort 772 Deutsche – und schätzungsweise rund 500.000 Einheimische. Doch Zahlen können täuschen. „Die deutsche Südsee war ein Sehnsuchtsort des Wilhelminismus“, sagte der Historiker Jürgen Zimmerer. Bereits der Hamburger Kaufmann Johan Cesar Godeffroy (1813-1885) hatte seine Fühler in der Region ausgestreckt. Auf den „König der Südsee“ folgten weitere Finanziers, die sich für die Errichtung von „Schutzgebieten“ stark machten.

Das führte Mitte der 1880er-Jahre zum „Karolinenstreit“ zwischen Spanien und Deutschland. Der damalige Reichskanzler Otto von Bismarck schlug aus dem Konflikt gleich mehrfach Kapital. Er holte Papst Leo XIII. als Schiedsrichter ins Boot. Dagegen konnte das erzkatholische Spanien wenig einwenden, Deutschland erhielt mit dem päpstlichen Karolinenurteil vom 22. Oktober 1885 volle Handlungs- und Niederlassungsfreiheit. Zugleich verbesserte sich damit das seit dem Kulturkampf angespannte Verhältnis zwischen Deutschland und dem Vatikan. „Was die Bewohner der Karolinen über dieses Urteil dachten, interessierte natürlich keine der beteiligten Parteien“, so Buchautor Thomas Morlang.

Während weiße Siedler vom Paradies träumten, wurde das Leben für die Indigenen nicht selten zur Hölle. So rekonstruierte Morlang 2010 in seinem Buch „Rebellion in der Südsee“ die Geschichte des Aufstands der Ponape auf der Karolineninsel Pohnpei. Der Konflikt entzündete sich 1910 an der Tatsache, dass der dort residierende Amtsmann Gustav Boeder die Bevölkerung mit Arbeitszwang und Prügelstrafe zum Straßenbau zwingen wollte – vordergründig, um die wirtschaftliche Produktivität des Eilands zu heben.

Am 24. Februar 1911 beendete die standrechtliche Erschießung von 15 Einheimischen die Revolte. War es das, was Bülow im Juni 1899 meinte, als er vor dem Reichstag versprach, man wolle „in humaner Weise mit diesem bildsamen Menschenmaterial“ umgehen? Im fernen Deutschland sorgte all das kaum für Wellen – geschweige denn, dass sich nach dem faktischen Ende der Kolonie 1914 so etwas wie eine Erinnerungskultur gebildet hätte, meint Historiker Zimmerer. Die „koloniale Amnesie“ im Nachkriegsdeutschland habe „die tatsächliche Brutalität der deutschen Herrschaft“ überdeckt. Erst in den vergangenen Jahren richtete sich der Blick auf diesen Teil der Geschichte, etwa mit dem im Humboldt Forum ausgestellten Luf-Boot. Der Herkunft des Prachtboots aus Deutsch-Neuguinea widmete Götz Aly 2021 ein eigenes Buch.

Kolonialer Kunstraub: Alltag in der Südsee. „Für die Geschichte der Völkerkundemuseen in Deutschland bedeutsam wurde die Südsee durch die Entscheidung des Hamburger Museums für Völkerkunde – jetzt MARKK -, seinen Sammlungsschwerpunkt auf diese Südsee zu richten, wo man vermeintlich ‚ursprüngliche‘ Kulturen aufzufinden hoffte“, sagt Jürgen Zimmerer. Die berüchtigte Hamburger Südseeexpedition von 1908-1910 stehe dabei paradigmatisch für einen Sammlungswahn des Wilhelminismus. „‚Leergesammelt‘ werden sollten die entsprechenden Inseln nach dem Willen des Museumsdirektors Georg Thilenius, damit andere Museen keine vergleichbaren Sammlungen aufbauen konnten“, so Zimmerer. „Bis heute sind offenbar nicht alle Kisten von damals ausgepackt.“

Die erhofften wirtschaftlichen Erträge aus der Kolonie blieben dagegen unbedeutend. Dafür wurde Deutsch-Neuguinea zum Ziel von Missionaren und Aussteigern: August Engelhardt (1875-1919) etwa versammelte auf dem zum Bismarck-Archipel gehörenden Eiland Kabakon eine Schar von Jüngern, die sich hauptsächlich von Kokosnüssen ernährten. Die Anekdoten um Engelhardt und dessen „Sonnenorden“ verarbeitete Christian Kracht in seinem Roman „Imperium“ (2012).

Katharina Döbler lieferte die eigene Familiengeschichte – ihre Großeltern gingen als evangelische Missionare nach Deutsch-Neuguinea – die Vorlage für den Roman „Dein ist das Reich“. Sie ist überzeugt davon: „Der überhebliche Fortschrittsglaube, ein biologistischer Rassismus und das Gefühl, die Herren der Welt zu sein, schreiben sich bis heute in der Weltwirtschaftsordnung fort. Deswegen glaube ich, dass es darüber noch sehr viel nachzudenken und dazu noch sehr viel zu erzählen gibt. Wir Europäer haben da noch eine Aufgabe.“