Von wegen „Drückeberger“: Hier finden Bürgergeldbezieher Hilfe bei der Jobsuche

In Arbeitslosenzentren finden Erwerbslose und andere Menschen in prekären Lebenslagen Unterstützung. Die Berater helfen bei der Jobsuche und bei Anträgen auf Sozialleistungen. Der Bedarf wächst.

Das Arbeitslosenzentrum in Mönchengladbach hilft Arbeitslosen bei der Jobsuche (Symbolbild)
Das Arbeitslosenzentrum in Mönchengladbach hilft Arbeitslosen bei der Jobsuche (Symbolbild)Imago / imagebroker

Sein Rücken schmerzt seit Jahren. Nicht ständig. „Aber immer wieder“, sagt Stjepan Andric (Name geändert). Wegen seiner gesundheitlichen Probleme ist der 61 Jahre alte, gelernte Steinbildhauer aus Mönchengladbach seit mehr als fünf Jahren fast ununterbrochen arbeitslos.

Endlich hat Andric wieder eine berufliche Perspektive: „Vor wenigen Tagen begann ich einen Kurs zum Pflegehelfer.“ Er hofft, diesen Job trotz seines schmerzenden Rückens bis zur Rente ausüben zu können. Hinter dem Langzeitarbeitslosen liegen harte Jahre. Immer mit dem Geld knapp zu sein, sei frustrierend. Vor wenigen Monaten ging sein Kühlschrank kaputt. Vom Jobcenter habe er kein Geld für ein neues Gerät bekommen. „Eine Freundin schenkte mir schließlich einen gebrauchten.“

Im Arbeitslosenzentrum erfuhr Andric viel Hilfe

Im Arbeitslosenzentrum Mönchengladbach fand er Betroffene zum Austausch, konnte seinen Frust ablassen. Zum Beispiel darüber, dass ihm ständig unpassende Jobangebote gemacht worden seien. „Die Jobcenter gehen, wenn sie Angebote machen, prinzipiell von der letzten Arbeitsstelle aus – ganz egal, wie krank man seither ist“, schildert der Mönchengladbacher, der als Kind mit seinen Eltern aus Kroatien kam.

Andric gehört zu der wachsenden Gruppe von Menschen, die in Arbeitslosenzentren nach Unterstützung und Begegnungsmöglichkeiten suchen. Im Arbeitslosenzentrum Mönchengladbach stieg die Nachfrage in den vergangenen Jahren deutlich. So fanden im Jahr 2019 fast 600 Beratungen statt. „2023 sind wir auf über 3.000 Beratungskontakte gekommen“, sagt Einrichtungsleiter Karl Sasserath.

Hans-Peter Sokoll vom Ökumenischen Arbeitslosenzentrum in Krefeld kennt Dutzende Menschen, die ihre Familie trotz Arbeit kaum durchbringen. Sie fahren für ein niedriges Gehalt Pakete aus oder jobben zum Mindestlohn als Reinigungskraft.

„Drückeberger“ sind große Minderheit

Das Krefelder Team macht jährlich rund 3.000 Beratungen. Sokoll sagt: „Mehr schaffen wir nicht.“ Die Einrichtung habe 1,6 Personalstellen. „Es werden nicht mehr, obwohl die Problemlagen größer werden.“

An jedem Montag und Mittwoch kann jeder und jede Hilfesuchende von 8 bis 11.30 Uhr in die Offene Sprechstunde kommen. Das Angebot werde rege genutzt. „Es kommen bis zu 30 Leute, das ist eigentlich zu viel.“ Ebenso wie Sasserath erlebt Sokoll die Not von Menschen, die vergebens nach einem Job mit einem auskömmlichen Einkommen suchen.

Laut Sasserath handelt es sich bei seinen Klienten „um die schwächste Gruppe der Gesellschaft“. Wie diese Personen manchmal öffentlich diskreditiert würden, mache ihn fassungslos. Etwa wenn die Rede davon sei, dass Bürgergeldempfänger nicht arbeiten wollten und „Drückeberger“ seien.

Realität sei vielmehr, dass sich viele Menschen in fragilen Lebenssituationen abschufteten, ohne zu lamentieren. Sasserath denkt da zum Beispiel an eine Klientin aus Nigeria, die drei schulpflichtige Kinder großziehe und obendrein drei Jobs mache.

Forscher erwarten höhere Arbeitslosenquote

Wer den guten Willen von Erwerbslosen infrage stelle, sei schnell bei der Überlegung, ob es Arbeitslosenzentren überhaupt brauche, sagt Sasserath. Dabei seien sie notwendiger denn je. Nicht zuletzt wegen des starken Zuzugs von Flüchtlingen: „Gerade sie sind einer unvorstellbaren Bürokratie unterworfen.“

Zudem rechnen Wirtschaftsforscher damit, dass die Zahl der Arbeitslosen in diesem Jahr steigt. In einer Analyse des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung heißt es: „Die Arbeitslosenzahl wird im Jahresdurchschnitt 2024 um rund 240.000 Personen zunehmen.“ Die Arbeitslosenquote könnte von durchschnittlich 5,7 Prozent im Jahr 2023 auf 6,2 Prozent in diesem Jahr klettern.